JULIA EXTRA Band 0286
sie vermutlich länger bleiben wird. Du kennst sie ja … Bei jeder Protestaktion muss sie dabei sein. Diesmal geht es um den Amazonas.“
„Schade. Dann hast du niemand, der sich mit dir freuen kann.“ Gina faltete die Zeitungen zusammen. „Ich hoffe nur, sie kommen zu deiner Hochzeit. Es wäre traurig, wenn sie die verpassen.“
Im Gegenteil, dachte Mia, es wäre wundervoll. Dann brauche ich ihnen nichts vorzumachen. Aber das konnte sie ihrer Freundin natürlich nicht sagen.
„Weißt du, ich wollte schon immer ohne viel Aufwand heiraten“, erwiderte sie so überzeugend wie möglich. „Ohne Gäste, ohne große Feier … Nur mein Zukünftiger und ich.“
„Hm … Vielleicht hast du recht. Er ist der Einzige, auf den es ankommt. Aber ich darf doch mit dabei sein, oder? Deine Hochzeit mit Bryn will ich mir nicht entgehen lassen.“
Mia lächelte gezwungen. „Natürlich darfst du, Gina. Wem sollte ich sonst den Brautstrauß zuwerfen?“
Sie stand am Fenster, als Bryn in einem knallroten Maserati vor dem Apartmentgebäude parkte und ausstieg. Im Freizeitlook sah er noch besser aus als im Anzug: Die lässige Kleidung unterstrich seine große athletische Gestalt aufs Vorteilhafteste. Mia verspürte ein leichtes Flattern in der Magengegend.
Sie öffnete, als er anklopfte, doch bevor sie ein Wort hervorbringen konnte, eilte Gina herbei, um ihn zu begrüßen.
„Hallo, Bryn! Ich habe mir schon lange gewünscht, Sie einmal kennenzulernen.“ Sie streckte ihm die Hand entgegen. „Ich bin Gina, Mias Mitbewohnerin und – nach ihr, versteht sich – Ihre eifrigste Zuhörerin. Sie verpasst keine Ihrer Sendungen. Stimmt’s, Mia?“
Ihre Freundin nickte und rang sich ein Lächeln ab.
„Das höre ich gern.“ Bryn legte seiner Verlobten den Arm um die Schulter und küsste sie lange und stürmisch. „Meine zukünftige Frau ist gleichzeitig meine größte Bewunderin. Bist du so weit, Liebling? Dann gehen wir besser.“
Als sie im Auto saßen, fragte Mia erbost: „Musste das sein? Ich meine … Ein Kuss auf die Wange hätte es auch getan. Dein Benehmen war mir ausgesprochen peinlich – und Gina bestimmt auch.“
Er warf ihr einen ironischen Blick zu. „Ich bin nicht für halbe Sachen. Wenn ich jemanden küsse, dann auch richtig.“
Schweigend sah sie geradeaus. Dass er gut küsste, wusste sie bereits – wie mochte er da erst als Liebhaber sein? Vermutlich ziemlich anspruchsvoll und mit Sicherheit sehr erfahren und erfindungsreich … Sie stellte sich vor, wie er ihren nackten Körper liebkoste, und erschauerte.
„Warum zitterst du, ist dir kalt? Oder bist du wegen der Begegnung mit meiner Großtante nervös? Dazu besteht kein Grund – sie ist eine sehr liebe alte Dame.“
„Ich bin nicht nervös.“ Zerstreut drehte sie den Verlobungsring an ihrem Finger. Bryn sah sie an, sagte aber nichts.
Die Klinik lag in einem gepflegten Garten mit zahlreichen Bäumen und Sträuchern. Agnes Dwyer hatte ein Einzelzimmer mit Blick auf einen hübschen Springbrunnen mit Marmorfiguren. Eine leichte Brise wehte den Duft blühender Rosen durch das geöffnete Fenster.
Mia betrachtete die abgemagerte Frau auf dem Bett. Die eingefallenen Augen in dem blassen Gesicht waren geschlossen und von dunklen Ringen umgeben.
Ihr Herz zog sich zusammen, und unwillkürlich sah sie zu Bryn hinüber: Der Ausdruck auf seinem Gesicht offenbarte, wie nah ihm der bevorstehende Verlust seiner Verwandten ging.
Er trat ans Bett und nahm die Hand der Kranken. „Tante Aggie …“, sagte er leise.
Die alte Dame schlug die Augen auf. „Bryn, Liebling … Du hast mich beim Mittagsschlaf erwischt.“ Sie richtete sich ein wenig auf, und er half ihr dabei. „Und Sie sind Mia, nicht wahr?“ Sie streckte ihr die Hand entgegen. „Bitte kommen Sie doch etwas näher, meine Augen sind leider nicht mehr so gut wie früher.“
Mia trat neben sie und drückte vorsichtig die zerbrechlichen Finger der Kranken. „Ja, ich bin Mia …“
„Wie schön Sie sind! Noch viel schöner als auf dem Bild in der Zeitung von heute Morgen.“
„Vielen Dank“, erwiderte sie schüchtern.
„Sie sehen genauso aus, wie ich mir Bryns Frau immer vorgestellt habe.“
„W…wirklich?“
„Oh ja. Und Sie haben ein gutes Herz, das sehe ich in Ihren Augen. Ich freue mich so, dass Sie sich begegnet sind.“
Von Schuldgefühl überwältigt, wagte Mia kaum, den Blick der alten Dame zu erwidern. „Das … das tue ich auch“, log sie mühsam.
„Sie beide erinnern
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