Julia Extra Band 0293
Lippen trafen sich kurz.
„Man muss es wirklich wollen.“ Ihr Atem streichelte warm seine Wange. „Von ganzem Herzen.“
Es wollen? Und ob ich will, dachte er, als sie ihre Lippen noch einmal über seinen Mund gleiten ließ, und heißes Verlangen ihn augenblicklich durchzuckte. Sie umfasste sein Gesicht, und er wollte sich noch näher zu ihr beugen, aber der Sicherheitsgurt behinderte ihn.
Claire hatte anscheinend dasselbe Problem, denn beide lösten den Gurt im selben Moment. Aufatmend wollten sie sich in die Arme sinken, aber nun störte der Schalthebel zwischen ihnen, und das Lenkrad war auch im Weg.
Hindernisse! Ständig Hindernisse. Viel zu viele.
„Das ist verrückt.“ Ethan ließ Claire los und lehnte sich, die Augen geschlossen, zurück. Er befahl seinem Körper, sich zu entspannen.
„Ich weiß.“ Claire atmete langsam aus.
Es half ihm gar nicht, festzustellen, dass es ihr nicht besser ging als ihm. Natürlich war es schmeichelhaft.
„Vielleicht werden Vernunft und geistige Gesundheit aber allgemein überschätzt“, fügte sie ruhig hinzu.
Nun öffnete er die Augen und wandte sich ihr wieder zu. Forschend betrachtete er sie. Was genau meinte sie? Und warum wollte er ihr unbedingt zustimmen?
„Ich hatte ganz vergessen, wie es sein kann“, flüsterte sie heiser.
„Was meinst du, Claire?“
„Das hier. Was mit uns beiden passiert, wenn wir zusammen sind.“ Seufzend strich sie sich über die Lippen. „Im Lauf der Jahre hatte ich das vergessen.“
Ethan hatte das nicht geschafft, obwohl er alles versucht hatte, um sich zu überzeugen, er hätte Erfolg damit gehabt. Tatsächlich hatte die Erinnerung an Claire und an seine leidenschaftliche Reaktion auf sie in irgendeinem Winkel seines Unterbewusstseins überlebt. Sie war die Frau, an der er alle anderen gemessen hatte. Seine Hoffnung, eine zu finden, für die er dieselbe verzehrende, beglückende, heiße Leidenschaft empfand, hatte sich nie erfüllt.
„Zehn Jahre sind ja auch eine sehr lange Zeit“, sagte er schließlich, und war sich nicht sicher, wen er zu überzeugen versuchte.
„Wir sind nicht mehr dieselben wie früher“, bemerkte Claire beiläufig.
Aber sie hatte sich in seinen Armen wir früher angefühlt: wie für ihn geschaffen.
„Ja, wir sind älter“, stellte er fest, obwohl das nicht nötig war.
„Und weiser“, ergänzte sie.
„Besser?“ Sein Blick glitt zu ihren Lippen.
„So kam es mir jedenfalls vor“, bestätigte sie leise.
Eigentlich wollte er es gar nicht wissen, und es ging ihn ganz bestimmt nichts an, trotzdem konnte er sich nicht zurückhalten und fragte: „Hattest du seitdem viel … Praxis?“
Wenigstens seine Neugier sollte befriedigt werden, wenn schon nicht sein Körper!
Claire errötete, sah ihm aber weiterhin unverwandt in die Augen. „Gute Frage. Warum beantwortest du sie nicht zuerst?“
Ethan schnitt ein Gesicht. „Okay, ich zieh die Frage zurück, euer Ehren!“
„Oh ja.“ Sie lachte leise und melodisch. „Wir sind definitiv weiser geworden!“
Ihre rechte Hand lag zwischen ihnen. Er nahm sie und strich mit dem Daumen sanft darüber. „Was machen wir jetzt, Claire? Wir können nicht zurück.“
„Das will ich auch gar nicht. Wir können weiter reisen. Zusammen. Und unterwegs herausfinden, wohin uns die Straße führt.“
„Und wenn es das Nichts ist?“, gab er zu bedenken. „Was, wenn wir schließlich doch wieder allein sind und in verschiedene Richtungen gehen?“
Einen scheinbar endlosen Augenblick lang schwieg sie, bevor sie erwiderte: „Dann wissen wir wenigstens ohne Zweifel, dass wir nicht füreinander bestimmt sind. Die eigentliche Frage ist demnach: möchtest du es überhaupt herausfinden?“
Er hob ihre Hand hoch und küsste die schlanken Finger. „Ja, ich will.“
Es war ihm klar, dass er verbittert, einsam und mit gebrochenem Herzen geendet hatte, als er diese Worte das letzte Mal gesagt hatte. Zu derselben Frau …
9. KAPITEL
Da Claire das Frühstück bezahlt hatte, war es nur fair, dass Ethan sie zum Abendessen einlud. Dazu musste sie natürlich den Flug nach Chicago nochmals verschieben, was beiden bewusst war – und keiner von beiden erwähnte.
„Du hast mich ja nicht viel gekostet“, neckte sie Ethan auf dem Weg zurück zu seinem Haus. „Trotzdem werde ich mich heute Abend beim Essen nicht bremsen. Mit weniger als einem viergängigen Menü und dem besten Wein, den der Sommelier zu bieten hat, gebe ich mich nicht zufrieden.“
„Was, kein
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