Julia Extra Band 0294
Genauso wie die Tatsache, dass ihr sein Kommentar über sie – von vor acht Jahren – immer noch so gegenwärtig im Gedächtnis haftete.
„Meinetwegen kann er sich seinen Job …“
„ Audrey !“ Mauds rauchige Stimme traf sie wie ein Peitschenhieb und stoppte Audrey auf der Stelle. Bis dahin war sie nämlich wie eine gereizte Wildkatze im prunkvollen Büro ihrer Agenturchefin, hoch über New Yorks Straßen, auf- und abgetigert. Seit Maud ihr mitgeteilt hatte, Romain de Valois wolle sie für seine Kampagne verpflichten, war sie hypernervös und kämpfte gegen aufsteigende Panik an.
Jetzt ließ Audrey sich kraftlos in einen niedrigen Sessel fallen. „Entschuldige, Maud! Ich weiß, er ist dein Neffe …“
„Rein technisch gesehen ist er eigentlich mein Ex-Neffe … aber das tut hier nichts zur Sache. Vetternwirtschaft hat ihn auf keinen Fall in seine derzeitige Position gehievt, meine Liebe. Was der Junge erreicht hat, verdankt er allein seinem Genie und harter Arbeit …“ Mit jedem Wort war ihre Stimme weicher geworden. Die Zuneigung der älteren Dame zu ihrem Neffen war nicht zu verkennen, doch dann gab sie sich einen Ruck und musterte ihr Lieblingsmodel mit scharfem Blick.
„Fakt ist, dass du einen Auftrag wie diesen ganz sicher nur einmal in deiner Karrierelaufbahn angeboten bekommst. Zwei Wochen Luxusleben rund um den Globus! Weißt du, was andere Models bereit wären, dafür zu tun? Romain ist diese Kampag ne so wichtig, dass er höchstpersönlich am Set sein wird, um die Aufnahmen zu überwachen. Er ist sogar bereit, in Irland zu starten, damit deine Urlaubspläne nicht ganz unter den Tisch fallen müssen … eine Bedingung, auf der ich bestanden habe!“, fügte sie nicht ohne Stolz hinzu.
Der Gedanke, auch nur einen Tag in Gesellschaft von Romain de Valois zu verbringen, der jede ihrer Aktionen kritisch begutachten würde, erschien Audrey schon als unzumutbar! Und dann ganze vierzehn Tage …?
Seit dem Ballabend vor einer Woche war es ihr nicht gelungen, sein dunkles, attraktives Gesicht und den beunruhigend kraftvollen Körper aus ihrer Erinnerung zu verbannen. Es war wie eine Heimsuchung – je mehr sie sich anstrengte, desto wilder trieb ihre Fantasie die erotischsten Blüten!
Und das, obwohl dieser Mann die Ursache für die schrecklichste Zeit in ihrem Leben war!
„Maud, kannst du wirklich nicht verstehen, wie schwierig und belastend diese Situation für mich wäre? Er ist nicht irgendjemand, sondern …“
„Ich bin sehr wohl darüber informiert, was damals in London geschehen ist“, unterbrach Romains Tante sie ruhig. „Aber eines musst du doch zugeben – unschuldig oder nicht: Wärst du nicht in dieser prekären Lage fotografiert worden, hätte Romain keinen Anlass gehabt, sich darüber in dem Interview zu äußern. Damals war er noch nicht so weit oben wie heute, sondern abhängig von der Zustimmung seines Direktoriums. Und das hatte gerade beschlossen, angesichts der aktuellen Drogenproblematik im Modelgewerbe einen besonders harten Kurs zu fahren.“
Audrey wurde plötzlich ganz elend. Wie durch einen Nebel hörte sie Maud reden, während sie das Gesicht des jungen Models vor sich sah, deren trauriges Ende die hitzige öffentliche Debatte vor acht Jahren ausgelöst hatte. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere war sie nach einer Überdosis Heroin in ihrem Hotelzimmer tot aufgefunden worden. Nur wenige Wochen vor Audreys eigenem Missgeschick …
Wie immer in solchen Momenten hatte sie das Gefühl, vor Trauer, hilfloser Wut, Scham und Schuldgefühl ersticken zu müssen. Das war auch einer der Gründe, warum sie im letzten Jahr ihrem Herzen gefolgt war und versucht hatte, etwas ganz Konkretes gegen die schrecklichen Vorkommnisse in der Vergangenheit zu unternehmen.
Maud stand auf, kam hinter dem riesigen Schreibtisch hervor und nahm auf einer der Ecken Platz. Dann musterte sie Audrey aufmerksam durch ihre extravagante Brille, die sie auf der Nasenspitze balancierte. „Ich werde dir jetzt noch etwas sagen, was bisher niemand sonst weiß …“ Sie seufzte. „Vielleicht hilft dir das zu verstehen …“
Audrey schaute neugierig auf.
„Romains eigene Mutter war ein Drogenopfer. Sie starb an einer Überdosis. Wie du siehst, hat er einen ganz persönlichen Grund für seinen Hass auf Drogen.“
Gegen ihren Willen verspürte Audrey einen Anflug von Sympathie. Doch dann erinnerte sie sich wieder an die Kälte in seinen harten grauen Augen und wappnete sich. „Okay, was sein
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