Julia Extra Band 0295
Maschine.“ Dann beugte er sich zu dem Kleinen hinunter. „Rowdy, deine Decke muss gewaschen werden. Sie riecht nicht mehr gut.“
„Timmy, gib die Decke zurück“, forderte der Kleine.
„Hier hast du deine blöde Babydecke. Mir egal, wenn du davon krank wirst.“ Der ältere Junge versetzte dem Kleinen einen Stoß und warf ihm die Decke zu.
Wieder Tränen und Geschrei. „Daddy, Timmy ist doof.“
Der Mann nahm den Kleinen auf den Arm. „Tim, geh in dein Zimmer, und beschäftige dich dort. Ich sage dir Bescheid, wenn die Viertelstunde um ist.“
„Warum? Was soll ich da? Ich hasse diese Bruchbude. Ich hasse sie. Ich hasse sie!“
Und schon rannte der Junge – er mochte vielleicht sieben oder acht sein – wütend Richtung Haus. Der Mann schmiegte die Wange an das strubbelige Haar des Kleinen. Der schlang die Ärmchen um den Hals seines Vaters und streichelte ihn. Es schien fast so, als tröste der Sohn den Vater.
Was für ein Bild des Jammers! Was für arme Kinder! Was für ein armer Vater! Wie erschöpft, wie unglücklich er wirkte.
„Wo steckt nur die Mutter?“, flüsterte Jennifer. Und gab es nicht noch ein Kind, ein ungefähr fünfjähriges Mädchen? Sie hatte doch einen kleinen blonden Lockenkopf herumstromern gesehen. Wo steckte die Kleine?
In diesem Augenblick hörte Jennifer, wie jemand die Nase hochzog. Das Geräusch kam von oben. Als sie den Kopf aus dem geöffneten Fenster steckte, entdeckte sie hoch oben in der Krone des Baumes vor ihrem Haus das blonde Mädchen. Es nuckelte am Daumen und schaute Jennifer unverwandt aus großen blauen Augen an.
Wenn es nun hinunterfiel? Jennifer geriet in Panik. Sie konnte nicht klettern. Selbst als Kind hatte sie sich davor gefürchtet und lieber mit Puppen gespielt. Nie hatte sie ihren Eltern Sorgen bereitet. Sie war die Jüngste von vier Geschwistern und behütet aufgewachsen.
Wo steckte die Mutter dieses Kindes?
Auf Hilfe konnte Jennifer nicht warten. Sie musste sofort etwas unternehmen. „Hallo“, rief sie nach oben und hoffte, dass die Kleine ihre Angst nicht spürte. „Ich heiße Jennifer.“
Das Kind schloss die Lippen noch fester um den Daumen, und an der Besessenheit, mit der es daran nuckelte, erkannte Jennifer die Angst des Mädchens vor Fremden.
„Das ist ein schöner Baum, findest du nicht auch? Ich mag ihn gerne. Er ist mein Lieblingsbaum.“ Während sie aus dem Fenster stieg und sich dem Stamm näherte, plapperte sie unentwegt weiter, um den Kontakt zu dem Mädchen nicht zu verlieren.
Es antwortete nicht, sondern hob den Kopf und schaute nach oben in die Zweige.
„Wie heißt du?“, fragte Jennifer verzweifelt. Die Augen des Kindes füllten sich mit Tränen. Wenn es sich jetzt bewegte und danebentrat oder – griff …
Bitte, lieber Gott. Erspar mir eine zweite Fahrt im Kranken wagen mit einem sterbenden Kind!
„Möchtest du vielleicht einen Keks?“, rief sie nach oben, weil ihr der Vorrat in ihrem Küchenschrank einfiel. Damit ließ sich so manche Situation retten. „Oder einen Cracker? Wir können Schokoladencreme oder Streichkäse draufschmieren.“ Sie hatte auch einen Vorrat an Brotaufstrichen. Für alle Fälle.
Das Gesicht des kleinen Mädchens hellte sich auf. „Schokolade“, piepste es, so leise, als verriete es ein Geheimnis.
„Ich habe auch Milch.“ Jennifer ahnte, dass sie auf dem richtigen Weg war.
„Schokomilch?“
Jennifer musste lachen. „Ja, ich mache Schokoladenmilch. Extra für dich.“Wie gut, dass sie sogar einen Vorrat an Kakaupulver besaß. „Na, wie klingt das? Lohnt es sich, dafür runterzuklettern?“
„Bekomme ich auch einen Keks?“, fragte das Kind. „Einen großen Keks mit Schokomilch?“
„Du magst offenbar wirklich gern Schokolade.“ Jennifer lächelte. „Ja, die Kekse sind ziemlich groß, und es ist ganz viel Schokolade drin.“
Auch Cody war auf Schokoladenkekse versessen gewesen. Aber er hatte sie nicht in Milch getunkt. In seinem Kinderstuhl saßen nun abwechselnd Ben, Amy, Sascha oder Jeremy, an vier Tagen in der Woche.
Es mochte armselig sein, die Leere mit den Kindern anderer Leute zu füllen. Mark sah das jedenfalls so. Doch Jennifer half es, tagsüber kleine Hände zu halten, in vertrauensvolle Kinderaugen zu schauen, zu spielen, ausgelassen zu sein und für die Kleinen zu sorgen. Sie war Tagesmutter. Und in den vergangenen achtzehn Monaten hatte sie herausgefunden, dass das Zweitbeste besser war als gar nichts.
„Du bekommst zwei Kekse und Schokoladenmilch.
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