Julia Extra Band 0303
Sam durch den Kopf. Aber warum sollte sie zur Abwechslung nicht auch einmal Glück haben? Also hob sie das Kinn, zauberte erneut ein Lächeln auf ihr blasses Gesicht, schwebte mit dem Luxuslift lautlos zum achten Stock empor und marschierte, ohne anzuklopfen, durch die avisierte Tür.
Der Raum dahinter war viel kleiner als erwartet und ziemlich spärlich eingerichtet. Das einzige echte Büromöbel war ein schmaler Schreibtisch, der schräg in einer Ecke stand. Dann gab es nur noch einige schlichte Stühle, die an einer Wand aufgereiht standen.
Plötzlich öffnete sich eine weitere Tür neben dem Schreibtisch, und ein schlanker Mann in den Dreißigern, mit schütterem Haar, trat ein, legte einen Stapel Akten auf den Tisch und stutzte, als er Sam bemerkte.
„Sie sind eine Frau!“
Normalerweise wäre sie seinem Vorwurf, denn so hörte es sich an, mit einer launigen Bemerkung begegnet, da sie derartige Reaktionen auf ihren ungewöhnlichen Vornamen gewohnt war. Doch im Moment war Sam gar nicht danach. Stattdessen nickte sie nur knapp.
„Hallo, ich bin Sam Muir und würde gern …“
„ Sam ! Das erklärt natürlich den Irrtum. Und ich dachte, der Tag könnte nicht noch schlimmer werden!“
Sam, die inzwischen völlig verwirrt war, nickte noch einmal vage. „Ich bin hier, um mit Mr. Brunelli …“ Während sie sprach, tauchte ganz unverhofft das dunkle Gesicht des Italieners vor ihrem inneren Auge auf und brachte sie komplett aus der Fassung.
Im Nachhinein erschien es ihr sonderbar, dass sie nicht auf den ersten Blick ein Gefühl von Gefahr gespürt hatte, als sie die harten Züge des eindrucksvollen Mannes sah, der sie wie ein Turm überragte.
Seine unglaubliche Attraktivität hatte sie wie ein physischer Schlag auf den Solarplexus getroffen und ihr den Atem geraubt. Wie in Trance ergab sie sich der überwältigenden Woge wilder Leidenschaft, die unerwartet in ihr aufbrandete und alle selbst auferlegten Hemmungen hinwegschwemmte.
Gleichzeitig fühlte Sam sich seltsam distanziert, als geschehe das alles nicht ihr, sondern einer Fremden, auf die sie gar keinen Einfluss hatte. Ihr nüchterner Realitätssinn meldete sich erst wieder, als es längst zu spät war.
Solange sie mit Cesare zusammen war, konnte sie weder ihren rasenden Herzschlag kontrollieren, noch die fatale Schwäche in ihren Gliedern überwinden, und schon gar nicht das Feuer löschen, das ihre zarte Haut zu versengen drohte.
Selbst jetzt, zwölf Wochen später, ließ die Erinnerung an sein klassisch schönes, ausgesprochen markantes Gesicht ihr Blut wie heiße Lava durch die Adern rinnen. Doch inzwischen konnte sie ihre damalige, extrem heftige Reaktion schon etwas besser und objektiver beurteilen.
Ohne Frage, gegen Cesare Brunellis arrogante, maskuline Sexualität war wohl keine Frau immun – auch Sam nicht. Aber was an jenem Abend geschah, war wohl eher das Resultat extrem verrückter Umstände, gegen die jeder machtlos gewesen wäre.
Möglicherweise verklärte sie ihn ja auch nur in ihrer Erinnerung, um ihr Verhalten vor sich selbst zu entschuldigen, und Cesare erwies sich im Nachhinein als Durchschnittstyp ohne besondere Qualitäten.
Aber egal. So viel stand jedenfalls fest … sie hatte einen großen Fehler gemacht! Einem Moment der Schwäche nachgegeben. Und jetzt musste sie mit den Folgen leben. Entschlossen richtete Sam ihre Gedanken wieder auf die Gegenwart.
Der dürre Mann mit den schütteren Haaren blätterte nervös einen Stapel Papiere durch und schüttelte wie abwehrend den Kopf. „Tut mir leid, aber es sieht danach aus, als wäre auch Ihr Lebenslauf einfach verschwunden. Lieber Himmel! Diese Frau war wirklich komplett unfähig!“ Er legte die Papiere zurück und lächelte Sam entschuldigend an. „Ist nicht Ihr Fehler.“
Wenn er sich da mal nicht täuschte!
Eine neue Welle von Scham und Verzweiflung überflutete Sam. Immerhin hatte sie Cesare zuerst geküsst! Einen völlig Fremden!
Die Erinnerung an diesen Moment hatte sich unlöschbar in ihr Bewusstsein gebrannt …
Alles stand ihr plötzlich wieder vor Augen. Sein markantes Gesicht, das von dem grellen Blitz beleuchtet wurde, der hinter der Fensterscheibe am schwarzen Himmel aufzuckte … der dumpfe Schmerz in ihrer Brust, als sie die Stumpfheit und Leere in der Tiefe seiner unglaublichen Augen sah … und den qualvollen Ausdruck der Erkenntnis auf den erstarrten Zügen.
Unfähig, ihm mit Worten Trost zu spenden oder das erstickte Aufschluchzen zu unterdrücken,
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