Julia Extra Band 0303
Profil mit hoher Stirn, römischer Nase und einem markanten, glatt rasierten Kinn.
Der Mann, mit dem sie die Nacht verbracht hatte, trug sein dunkles Haar so lang, dass es über den Kragen seines Polo-Shirts reichte, und einen stoppeligen Dreitagebart. Und als er sie liebte, tat er es ebenso wild und ungezügelt wie der Sturm, der draußen tobte.
Jetzt war das Haar kurz, und die verwaschenen Jeans hatte er gegen einen offensichtlich maßgeschneiderten Designeranzug eingetauscht. Ein Ausbund an maskuliner Eleganz und Unnahbarkeit.
Und plötzlich fühlte sich das Ganze für Sam nicht mehr wie eine höfliche Pflichtübung an, sondern wie ein echter Kardinalsfehler. Ihr Drang zu fliehen war jetzt noch viel stärker als zuvor, doch ihr widerspenstiger Körper wollte ihr nicht gehorchen.
„Soll ich die Tür schließen?“, fragte Tim Andrews. „Sie wartet draußen und …“
„Nein, auf keinen Fall! Candice hat das Prinzip, weniger ist mehr , nicht mal im Ansatz verstanden. Vor allem, wenn es um Parfum geht.“
Als Sam sah, wie er die aristokratische Nase rümpfte, fragte sie sich unwillkürlich, ob sich das in erster Linie auf den schweren exotischen Duft bezog, der in der Luft lag, oder die Person, die er im Geist damit verband. Waren es unangenehme Erinnerungen, die ihn mit dieser Candice verbanden, oder fühlte er ein schmerzhaftes Verlangen nach seiner Geliebten?
Sam gefiel weder der eine, noch der andere Gedanke. Seit sie in einem Klatschblatt von der Affäre der beiden gelesen hatte, fragte sie sich immer wieder, ob es das Gesicht der attraktiven Schauspielerin gewesen war, das er während ihres Liebesspiels vor seinem inneren Auge hatte.
„Hören Sie, es tut mir sehr leid wegen Candice, aber …“
„Wollen Sie sich etwa bei mir für ihr unmögliches Verhalten entschuldigen, Tim? Das ist nicht nötig. Wenn sie sich etwas vorgenommen hat, lässt sie sich von niemandem aufhalten. Ich nehme an, sie hat die Presse über ihren … Besuch hier informiert?“
„Ich befürchte, so war es tatsächlich …“, murmelte der Unglückliche. „Aber was das Mädchen da draußen betrifft, Cesare. Sie ist extra Ihretwegen hierhergekommen. Können Sie nicht wenigstens ganz kurz mit ihr reden? Sie müssen ihr den Job ja nicht wirklich geben.“
Endlich verstand Sam, warum sie entgegen ihrer Erwartung gleich weitergereicht worden war. Alle dachten offensichtlich, sie hätte sich hier um einen Job beworben! Fast hätte sie aufgelacht, doch der Impuls erstarb in dem Moment, als Cesare ein gereiztes Knurren ausstieß.
„Ich dachte, ich hätte mehr als deutlich gemacht, dass ich keinen weiblichen Assistenten haben will.“
„Nun, das konnten wir der Agentur so wohl schlecht sagen, oder?“, formulierte Tim vorsichtig. „Nicht, wenn wir nicht der sexuellen Diskriminierung beschuldigt werden wollen.“
„Und deshalb ist diese Frau auf der Liste? Sozusagen als Quotenweib ?“
Tim Andrews hüstelte nervös, und Sam wollte sich gerade einschalten, als Cesare Brunelli sich plötzlich umdrehte, zum Schreibtisch ging und einen mattgrünen Stein mit irisierenden goldenen Streifen in die Hand nahm und betastete.
„Ist das Ihr Mitbringsel von unserem Himalaya-Treck?“, fragte Tim, um ein neues Thema bemüht.
„Ja.“ Cesares Kinnmuskulatur verhärtete sich, als erinnere er sich an etwas ganz Bestimmtes. Plötzlich wirkte er wie ein Mann, der grundsätzlich versuchte, seine Grenzen auszutesten, und auch gern mal darüber hinausging.
Sam fühlte einen kühlen Schauer über ihren Rücken rinnen.
Tim hingegen grinste breit. „Das war eine gigantische Sache, was? Leider habe ich es ja nicht ganz bis zum Gipfel geschafft, aber beim nächsten Mal werde ich nicht kneifen! Da bin ich auf jeden Fall dabei!“
„Ich aber nicht!“, sagte Cesare hart und legte den Stein wieder auf dem Tisch ab. In dem Moment, als die Worte heraus waren, hätte er sie am liebsten zurückgeholt. Wenn er irgendetwas hasste, dann war es Selbstmitleid. Erst recht, wenn es ihn betraf.
„T…ut mir leid“, stammelte der arme Tim mit brandrotem Kopf. „Offenbar kann ich nicht den Mund aufmachen, ohne …“
„Ohne mich daran zu erinnern, dass ich blind bin?“, ergänzte Cesare rau. „Keine Bange, neben der erfreulichen Tatsache, dass Ihr schuljungenhaftes Aussehen unseren Gegnern und Konkurrenten ein völlig unangebrachtes Gefühl von Sicherheit vermittelt, ist genau das der Grund, warum ich Sie überhaupt in meiner Nähe ertrage. Sie sind
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