Julia Extra Band 0313
unter einem Dach zu beherbergen, bevor die Dinge nicht geklärt waren.
Wenn sie es denn je sein würden! Dem Verlauf des Frühstücks nach zu urteilen, würden sie sich auch in zwanzig Jahren noch über jede Kleinigkeit streiten. Dabei war es weder hilfreich noch klug gewesen, dass sie sich in der vergangenen Nacht erneut geliebt hatten, wie Sin einräumte, während er nachdenklich zum Fenster hinaussah. Sie mussten sich zumindest auf irgendeine Form von Waffenstillstand einigen, denn sie konnten sich doch unmöglich für den Rest der Schwangerschaft unaufhörlich streiten.
Luccy wollte abreisen und ihr Leben in England wieder aufnehmen.
Sin war genauso entschlossen, das zu verhindern.
Ging es wirklich nur um das Baby? Ging es überhaupt um das Baby?
Plötzlich verharrte Sin ganz still. Ging es ihm wirklich um das Baby? Oder war der Punkt nicht vielmehr, dass er, nachdem er Luccy wiedergesehen, Zeit mit ihr verbracht und mit ihr geschlafen hatte, sie nicht mehr gehen lassen wollte?
Verdammt, vor zwei Monaten hatte sie ihn nur benutzt und ihre große Chance gewittert, als sie ihn in dem Restaurant erkannt hatte. Andererseits hatte er dafür nur Paul Bridgers Wort, während Luccy diese Anschuldigungen immer noch vehement bestritt. Aber warum hatte sie dann in jener Nacht vor zwei Monaten mit ihm geschlafen? Weil sie, wie er, es ganz einfach gewollt hatte, weil sie ihn gewollt hatte? Diese Möglichkeit hatte Sin gar nicht in Betracht gezogen, nachdem sie in der Nacht so klammheimlich verschwunden war.
Luccy behauptete, sie sei davongelaufen, weil sie sich geschämt habe. Nein, vielleicht musste er aufhören, in diesen Formulierungen zu denken. Vielleicht behauptete Luccy gar nichts, sondern sagte schlicht die Wahrheit? Auf einmal verspürte er das dringende Bedürfnis, mit Luccy zu sprechen. Nicht, mit ihr zu streiten. Nicht, sie zu bedrohen. Nicht, mit ihr zu schlafen. Sondern einfach nur mit ihr zu sprechen.
„Was ist geschehen?“ Luccy sah Wallace mitfühlend an.
Er lächelte traurig. „Ich war jung und dumm und hielt mich für unbesiegbar. Ich wollte alles: meine Karriere in der Armee, meine Frau und mein Kind an meiner Seite, als ich in Übersee stationiert wurde.“
Dass Wallace in der Armee gedient hatte, überraschte Luccy nicht. Im Gegenteil, es erklärte seine Haltung und Disziplin. Sie stand auf und schenkte einen zweiten Becher Kaffee ein, den sie vor Wallace stellte, bevor sie sich wieder setzte.
Gedankenversunken trank der Butler einen Schluck. „Nach Übersee wollte meine Frau nicht mitkommen. Sie … war im fünften Monat schwanger und fand es für das Baby gefährlich. Womit sie recht behielt.“Wallace nickte abrupt.„Sie sind beide gestorben.“
Als Sin Luccy weder auf der Terrasse noch in ihrem Schlafzimmer fand, machte er sich auf die Suche nach Wallace, wobei er schon halb befürchtete, dass sie trotz seiner Warnung ohne ein Wort abgereist war.
Umso erstaunter war er, als er Luccys Stimme und die seines Butlers aus der Küche hörte. Als er dieVertraulichkeit des Gesprächs erfasste, blieb er vor der Tür stehen. Er hatte kein Recht, die beiden zu stören.
Fast sein ganzes Leben kannte er Wallace, respektierte ihn, liebte ihn wie ein Familienmitglied. Und doch hatte er nie gewusst, dass Wallace einmal verheiratet gewesen war, geschweige denn, dass seine Frau sogar ein Kind erwartet hatte. Er wusste, dass er gehen und die beiden mit dem Gespräch allein lassen sollte, aber irgendetwas hielt ihn zurück.
„Ich bin sicher, es war nicht Ihre Schuld“, sagte Luccy gerade.
„Nicht direkt natürlich“, bestätigte Wallace traurig. „Aber wenn ich nicht darauf bestanden hätte, dass sie mitkommt … Wir hatten einen Ausflug gemacht, und Rebecca bekam plötzlich Wehen. Das nächste Krankenhaus war Meilen entfernt, und als wir endlich dort ankamen, war es armselig ausgestattet und hoffnungslos überfüllt. Die überforderten Ärzte sahen in einer Schwangeren mit Wehen keinen Notfall. Das passierte jeden Tag. Wir sollten uns keine Sorgen machen. Aber es war zu früh, außerdem hatte sich die Nabelschnur um den Hals des Babys gewickelt. Es kam schon tot zur Welt. Rebecca verlor viel zu viel Blut und starb auch, bevor wir wussten, wie uns geschah.“
Voller Mitgefühl drückte Luccy seine Hand. „Sie hätten ihr nicht helfen können.“
„Aber ich hätte auf Rebecca hören können, als sie sagte, sie wolle das Baby zu Hause bekommen, in der Nähe ihrer Familie und eines modernen
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