Julia Extra Band 0313
schöne Tage mit ihm verleben können, dachte Lyssa trübselig, und einige schöne Erinnerungen gesammelt.
Nun musste sie sich mit denen begnügen, die sie bereits hatte. Und so tun, als würde sie sich nicht viel aus ihm machen. Als wäre es ihr völlig egal, demnächst abzureisen.
Es würde die Hölle werden!
Am nächsten Tag kamen Lyssa und Ricardo gegen Mittag in Rom an. Sie checkten im selben Hotel ein, in dem sie schon vorher übernachtet hatte, und natürlich musste sie an den Moment denken, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte.
An seinem tollen Auto lehnend, umwerfend attraktiv … und total gelangweilt.
Sie hätte nicht gedacht, dass sie sich in ihn verlieben könnte. Nun war sie eines Besseren belehrt worden. Sie hatte ihr Herz an ihn verloren, und beim Abschied wäre nichts mehr, wie es war.
Nein, ich darf jetzt nicht Trübsal blasen, ermahnte sie sich. Ricardo sollte sie nicht als Heulsuse in Erinnerung behalten, sondern als fröhliche, interessierte Reisende, die alles Neue genoss.
Wenn sie ihm die vorspielte, würde sie vielleicht selbst zu glauben anfangen, dass es ihr gut ging.
Rasch machte sie sich frisch und ging nach unten, wo er schon auf sie wartete.
Sie gingen in eine kleine Trattoria und aßen wieder gefüllte Zucchiniblüten, eine echte Spezialität, die Lyssa allerdings ausnahmsweise nicht genießen konnte.
Anschließend besuchten sie das Forum mit den antiken Ruinen, ehemals das Zentrum des Römischen Reichs. Lyssa war fasziniert von dem Ort und meinte beinah, die Senatoren, die Legionäre und sogar Caesar vor sich zu sehen.
Als sie an der Statue der Wölfin vorbeikamen, die der Sage nach Romulus und Remus, die Gründer Roms, gesäugt und vor dem Hungertod bewahrt hatte, fielen Lyssa die drei Welpen ein.
„Ich frage mich, wie es Sydney, Melba und Alice mittlerweile geht“, sagte sie nachdenklich. „Hoffentlich haben sie sich gut eingelebt.“
Ricardo, der bis dahin ungewohnt schweigsam gewesen war, wenn er nicht geschichtliche Fakten zum Besten gab, lächelte verhalten.
„Ich könnte anrufen und mich erkundigen“, bot er an.
„Ja, bitte. Das wäre nett von dir!“
Während er sprach, beobachtete sie ihn genau, um sich sein Bild unauslöschlich einzuprägen. Es war ihr wichtig, sich später an jede Einzelheit dieses Augenblicks erinnern zu können.
An Ricardos Ausdruck, an den Ton, in dem er sprach, an sein dunkles Haar, das in der Sonne schimmerte …
Plötzlich klappte er sein Handy zu. Ehe sie sich versah, hatte er sie dabei ertappt, wie sie ihn hingerissen betrachtete. Aber das schien ihn gar nicht weiter zu interessieren.
„Die Welpen haben sich ganz gut eingewöhnt, nur Sydney macht Probleme“, berichtete Ricardo. „Er hat ein Paar Satinschuhe von Ferragamo zerbissen.“
„Ich weiß zwar nicht genau, was das bedeutet, aber es klingt schlimm.“
„Jedenfalls hat Marco Nina zwei Paar Ferragamos versprochen, wenn sie den Hund trotzdem behält. Melba und Alice benehmen sich dagegen vorbildlich.“
„Ich habe dir, fürchte ich, noch gar nicht richtig dafür gedankt, dass du ein Zuhause für die Tiere gefunden hast“, meinte Lyssa schuldbewusst.
Er zuckte die Schultern. „Keine Ursache.“
Weiter ging es zum Kolosseum, vor dem sich eine so lange Schlange von Touristen gebildet hatte, dass Lyssa die Lust verging, es zu besichtigen.
„Ich würde lieber ins Hotel zurück“, informierte sie Ricardo.
„Fühlst du dich nicht wohl?“, erkundigte er sich besorgt. „Fällst du womöglich wieder in Ohnmacht?“
„Nein, keine Angst. Ich habe nur für heute genug von antiken oder sonstigen Sehenswürdigkeiten.“
„Ja, dann lass uns zurückgehen“, stimmte er zu und hakte sie unter.
Ihr wurden die Knie weich. Zum ersten Mal, seit er sie in Pompeji zum Auto getragen hatte, berührte er sie wieder. Und sie war sich sicher, es war auch das letzte Mal. Für immer …
So ließ sie sich von ihm stützen, obwohl es nicht nötig gewesen wäre. Sie gingen eine Treppe hinunter, die zu einem Platz mit einem herrlichen barocken Brunnen führte. Vor dem posierte eine Braut in einem hinreißend eleganten Kleid. Offensichtlich wurden hier die Aufnahmen für das Hochzeitsalbum gemacht.
Dann schloss sich der Bräutigam der Braut an, und als er seiner Angetrauten tief und bewundernd in die Augen sah, durchzuckte gallebitterer Neid Lyssa.
Sie würde nie ihre eigene Trauung erleben, nie ein so großartiges weißes Kleid tragen, niemals – und das war das Schlimmste!
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