Julia Extra Band 0315
Gäste“, gab Celeste zur Antwort. „In seiner Position kann er sich eine derartig lange Abwesenheit vom gesellschaftlichen Parkett eigentlich nicht leisten.“
„Ich fürchte, es ist meine Schuld, dass er sich so rar gemacht hat, Signora Costanzo.“
„Und wir alle wissen doch um den Grund, meine Liebe.“ Edmondo tätschelte ihre Hand. „Wir alle verstehen, dass seine erste Pflicht vorerst dir gilt.“
Alle, außer Celeste, dachte Maeve zerknirscht und schimpfte still auf ihren Mann, dass er sie hier allein ihrem Schicksal überließ.
Immerhin kam er recht bald, zusammen mit Giuliana, an den Tisch, und Maeve gelang es, ohne größere Zwischenfälle und Verlegenheiten das Gala-Dinner zu überstehen. Darios bewundernde Blicke und sein aufmunterndes Lächeln halfen ihr dabei, Celestes Sticheleien und die hochmütigen Seitenhiebe würdevoll zu ertragen.
Das Orchester spielte auf, und er forderte sie zum Tanzen auf. Verträumt schmolz sie auf der Tanzfläche in seinen Armen. Er zog sie enger an sich und wiegte sich mit ihr zum Rhythmus der langsamen Musik, ließ kleine Küsse auf ihre Augenbrauen regnen, flüsterte ihr zu, wie schön sie sei und wie viel Stolz er empfinde, dass sie die Seine war. Und raunte ihr erotische Nichtigkeiten ins Ohr, sodass ihr Verlangen mit jedem seiner Worte wuchs und sie wie auf einer Wolke schwebte.
Vielleicht schwebte sie zu hoch, denn wie sonst sollte sich die Ungeschicklichkeit erklären lassen, als sie an den Tisch zurückkehrte und beim Setzen prompt Lorenzos Weinglas umstieß? Die dunkelrote Flüssigkeit ergoss sich über das Tischtuch und tropfte wie Blut auf ihr Kleid.
Ein kleiner Aufruhr entstand. Ein Kellner kam mit Tüchern herbeigeeilt, Edmondo betonte, ein solches Missgeschick könne jedem passieren, Lorenzo entschuldigte sich unablässig, obwohl jeder genau wusste, dass ihn nicht die geringste Schuld traf, und die Köpfe an den Nebentischen drehten sich, um das Drama am Tisch der Costanzos neugierig mitzuverfolgen.
Maeve wünschte, der Boden würde sich auftun und sie verschlingen. Alle starrten zu ihr hin, und sie errötete vor Scham. Die Regentschaft des Aschenputtels hatte abrupt ein Ende gefunden. Sie murmelte eine Entschuldigung und floh aufgelöst in die Damentoilette.
Absolute Stille und der Duft von Gardenien umfing sie, sobald sie die Tür hinter sich schloss. Doch als sie im hellen Licht der großen Wandspiegel ihr Konterfei erhaschte, verzweifelte sie endgültig. Ihr Kleid bewies, wie tief das Aschenputtel gefallen war. Der Weinfleck hatte sich mitten auf ihrem Bauch in die helle Seide gefressen. Jede Hoffnung, sie könnte mit kaltem Wasser vielleicht doch noch irgendwie ein Wunder bewirken, erstarb. Sie hätte heulen können.
Plötzlich hörte sie hinter sich die Tür zuschlagen. Celeste erschien im Spiegel. Oh nein, das nicht auch noch! Nicht jetzt!
Ihre Schwiegermutter sagte kein Wort, stellte sich vor den Spiegel, holte den Lippenstift aus ihrer Handtasche und zog sich die Lippen nach. Ihr Schweigen verurteilte mehr als jede Strafpredigt.
Maeve hielt es nicht aus. „Es war ein Unfall, Signora Costanzo.“
Celeste steckte die Lippenstiftkappe mit einem leisen Klick wieder auf. „Es scheint, du hast eine Vorliebe für Unfälle.“
Schockiert schnappte Maeve nach Luft. „Wollen Sie damit sagen, ich hätte es absichtlich getan?“
„Ich will sagen, dass du das Unglück wie ein Magnet anziehst. Das Problem ist nur, dass andere ebenfalls davon betroffen werden. Wie mein Sohn zu seinem Leidwesen feststellen musste.“
„Habe ich in Ihren Augen je etwas richtig gemacht?“ Maeve fühlte sich schrecklich elend.
„Du hast zumindest nach außen hin den Anschein gewahrt, den man von einer Costanzo-Frau erwartet.“ Unbarmherzig musterte Celeste sie von Kopf bis Fuß. „Jetzt bringst du nicht einmal mehr das zustande. Du wirst nie zu uns passen. Du bist ein Niemand.“
Die verletzenden Worte weckten ihren Trotz. „Sie haben recht, ich bin nicht mit dem goldenen Löffel in der Wiege geboren worden. Ich stamme aus bescheidenen Verhältnissen. Aber meine Eltern waren gute Menschen, die mir Anstand und Mitgefühl beigebracht haben, Eigenschaften, die Ihnen scheinbar komplett fehlen. Was für eine Frau sind Sie, dass Sie einen anderen Menschen für ein Missgeschick verurteilen? Oder anders … was für eine Mutter sind Sie, dass Sie sich weigern, die Ehefrau Ihres Sohnes zu akzeptieren?“
Celeste wurde blass um die Lippen. „Du hast die Stirn,
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