Julia Extra Band 0315
geliebt.“
Ungläubigkeit malte sich auf ihrer Miene ab. „Wie konnte ich so etwas nur tun, wenn ich vorher noch nie …?“
„Ich weiß.“
„Sich plötzlich mit einer Jungfrau wiederzufinden … Es kann kein großer Spaß für dich gewesen sein.“
„ Spaß ist sicherlich nicht das Wort, das ich wählen würde, Maeve.“ Er nahm ihr den Becher aus den Händen, stellte ihn ab, umfasste ihre Finger. „Du warst unschuldig, aber so leidenschaftlich und großzügig. Ich konnte dir nicht widerstehen. Feststellen zu müssen, dass ich dein erster Liebhaber war, hat mich schockiert. Du warst immerhin achtundzwanzig und eine faszinierend schöne Frau. Wie kann es sein, dass du noch immer Jungfrau warst?“
„Ich hatte keine Zeit für Romantik, war zu beschäftigt damit, eine Karriere aufzubauen.“ Schüchtern schaute sie zu ihm. „Ich bin froh, dass es nur dich gegeben hat.“
Stimmte das? Oder würde sie sich auch noch an einen anderen Liebhaber erinnern, bevor die Nacht zu Ende war?
„Und wie ging es dann weiter? Wussten wir von Anfang an, dass wir zusammengehören?“
Er hörte die Hoffnung in ihrer Stimme und ertrug es nicht. Er wandte das Gesicht ab. „Nein, ganz so war es nicht. Du bist wenige Tage später wieder nach Hause abgereist. Ich ging nicht davon aus, dass wir uns je wiedersehen würden. Doch ich konnte dich nicht vergessen.“
„Vergessen ist immer leichter. Das Erinnern ist das, was schwerfällt.“
In gewisser Hinsicht hatte sie recht. Wenn er an jene Zeit zurückdachte … Er würde seinen rechten Arm hergeben, um vergessen zu können, was passiert war …
An einem heißen Nachmittag Mitte August machte er auf dem Weg von Seattle nach Whistler einen Zwischenstopp in Vancouver. Sie ausfindig zu machen war leicht gewesen – in den Gelben Seiten stand nur eine Maeve Montgomery, persönliche Ausstatterin.
Sie wohnte im Westen der Stadt, im sechsten Stock eines Wohnhauses, mit Blick auf die English Bay. Der Strand an der Bucht war übersät mit Sonnenanbetern. Mütter packten Picknickkörbe aus, Väter planschten mit ihren Sprösslingen im flachen Wasser. Begeistertes Kinderjauchzen übertönte das stetige Rauschen des Pendelverkehrs, der unterwegs war nach Hause Richtung Stadtrand.
Eine beschauliche Szenerie, aber nichts für ihn, wie er entschied, während er auf dem Klingelbrett nach Maeves Namensschild suchte. Es gab zu viele schöne Frauen auf der Welt, als dass er sich an eine einzige binden wollte. Frauen, die die Regeln des Spiels kannten.
Bist du etwa hier, weil Maeve Montgomery die Regeln kennt?
Die Frage tauchte aus dem Nichts auf. Sein Zeigefinger, schon fast am Klingelknopf, hielt mitten in der Luft inne.
Was, zum Teufel, tat er hier? Sie hatten nichts gemein, außer einer Nacht, die sie wahrscheinlich beide vergessen wollten. Und wieso wollte er sie überhaupt sehen? Für ein Schäferstündchen, wenn es für ihn doch nie mehr sein würde? Um seinem Ego zu schmeicheln, erneut auf ihre Kosten?
Angewidert von sich selbst, wandte er sich zum Gehen. Und erblickte eine langbeinige Blondine auf das Haus zukommen, die eine große Einkaufstüte mit Lebensmitteln auf dem einen Arm balancierte, während sie mit der freien Hand in ihrer Schultertasche nach dem Hausschlüssel kramte. Die Sonne stand hinter ihr, umschmeichelte ihre Silhouette, die elegante Rundung ihrer Hüften, ihres Busens, ihres gewölbten Leibes. Ganz darauf konzentriert zu finden, was sie suchte, hatte sie ihn noch nicht gesehen. Das ließ ihm Zeit, sie genauer zu betrachten. Was er sah, erfüllte ihn mit Schrecken.
Diese Frau war Maeve, und sie war schwanger. Ungefähr im vierten, fünften Monat.
Dario wusste, er hatte den kritischen Punkt seiner Erzählung erreicht. Entweder er enthüllte die Wahrheit über das Zustandekommen ihrer Ehe, was, wie die Experten ihn gewarnt hatten, Maeve einen massiven Schock versetzen könnte, oder er hoffte weiter auf das Wunder, von dem er in seinem Herzen wusste, dass es nie geschehen würde. Weder die Insel noch Mailand oder seine Familie hatten an ihrer Erinnerung gerührt. Portofino war seine letzte Hoffnung gewesen, die es ihm vielleicht ersparen würde, die ungeschminkte Wahrheit aussprechen zu müssen. Doch auch dieser Aufenthalt hatte nichts bewirkt.
Dario merkte, wie er zu schwitzen begann. Er löste die oberen beiden Hemdknöpfe und trat hinaus an die Reling, schaute auf das dunkle Wasser und sah doch nur die Bilder der Vergangenheit …
Maeve merkte noch immer
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