Julia Extra Band 0315
dagegen gehabt hatte.
Vor dem Altar hatte Susannah wunderschön ausgesehen. Die untergehende Sonne, die durch die Buntglasfenster schien, hatte winzige funkelnde Regenbogen auf Susannah geworfen. Wie Miniaturjuwelen auf ihrer Haut, in ihrem Haar.
Und plötzlich war Kanes Welt, die er vor einer Woche so hart und kalt gefunden hatte, voller Sonnenschein. Nach New York zurückzukehren, in sein Büro, in sein Penthouse mit Blick auf den Central Park, konnte er sich nicht vorstellen …
Ohne dass.
Ohne Susannah.
„Vielleicht war das keine so gute Idee“, sagte Pastor Weatherly, als die Brautjungfern und Begleiter des Bräutigams die Kirche verließen. „Susannah mochte es wohl nicht, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen.“ Der Pfarrer ließ sich auf der oberen Altarstufe nieder und forderte Kane mit einer Handbewegung auf, sich neben ihn zu setzen.
„Jackie hätte Susannah gar nicht erst in diese Situation bringen dürfen.“
„Tja, das ist typisch für Jackie. Sie ist ein bisschen … vergesslich. Und Susannah würde so ziemlich alles für ihre Schwester tun. Das hat sie immer getan, seit ihre Eltern gestorben sind, als sie achtzehn war.“
„Beide Elternteile sind tot?“ Kanes Mutter war an Krebs gestorben, während er auf dem College war. Aber beide Elternteile zu verlieren …
Das erklärte vieles. Ihre enge Bindung an ihre Schwester. Dass sie so großen Wert auf Verantwortungsbewusstsein legte. Und vor allem ihren Wunsch, fortzugehen und endlich ihr eigenes Leben zu führen.
Pastor Weatherly nickte. „Ein Bootsunglück. Die Wilsons waren auf dem Lake Michigan angeln. Wie aus dem Nichts ist ein Sturm aufgekommen. Ihr Boot ist gesunken, während sie versuchten, zurück ans Ufer zu gelangen, und sie sind ertrunken.“
„Susannah war noch so jung.“
„Alt genug, um ihr eigenes Leben zu leben. Stattdessen hat sie beschlossen, ihre Bedürfnisse zurückzustellen und Jackie aufzuziehen. Und das Mädchen konnte einem mit ihren vierzehn Jahren zu schaffen machen! Übermorgen ist endlich Susannah dran. Sie hat es verdient, auch einmal die Sonnenseite des Lebens kennenzulernen.“
„War sie nie weg von hier? Auf dem College?“, fragte Kane.
„Sie ist noch nicht einmal in Urlaub gefahren.“ Pastor Weatherly lächelte sanft. „Ich kann erkennen, dass Sie Susannah mögen. Aber denken Sie daran, dass jeder in Chapel Ridge sie gernhat. Was auch immer Sie tun, handeln Sie zu ihrem Besten.“ Der Pfarrer stand auf und legte Kane die Hand fest auf die Schulter, bevor er im hinteren Teil der Kirche verschwand.
Schuldgefühle überwältigten Kane. Fünf Minuten, bevor er in der Kirche angekommen war, hatte er noch eine Strategie für seinen Abgang entworfen. Weg hier, zurück nach New York, bevor er sich noch mehr mit Susannah Wilson einließ. Länger als notwendig in Chapel Ridge zu bleiben wäre ein Fehler. Kane sah keine Möglichkeit, sowohl sein Leben in New York als auch Susannah zu haben.
Außer …
Vielleicht konnten sie in seinem Revier weitermachen. Schließlich wollte sie diese Kleinstadt sowieso verlassen.
Nur hatte er weiterhin ein vertracktes Problem. Er hatte sie von Anfang an belogen. Zwar kannte er Susannah nicht besonders gut, aber eins wusste er: Ihr ging Ehrlichkeit über alles.
Eine Frau wie Susannah Wilson könnte niemals einen Lügner lieben.
„Wie ist es gelaufen?“, fragte Jackie. „Tut mir leid, dass ich zu spät komme.“
Susannah wischte sich das Gesicht ab und drehte sich um. Zum Glück war die Dunkelheit hereingebrochen und würde die Tränen verbergen. „Gut.“
„Du hast geweint! Warum?“
„Ich … habe in der Kirche daran gedacht, dass Mom bei deiner Trauung nicht dabei sein kann. Das hat mich aus dem Gleichgewicht gebracht.“ Susannah hatte auch wegen der verpassten Chancen und vergangenen Tage geweint, behielt es jedoch für sich. „Die Hymne mit hinzuzunehmen war wirklich lieb von dir.“
Jackie lächelte zittrig. „Ich wollte dich überraschen. Ich dachte, dir würde es auch gefallen.“
„Es wird wundervoll sein, Jackie. Mom hätte es geliebt.“
„Hat bei der Probe sonst alles geklappt?“
„Ja. Pastor Weatherly hat gleich eine Beerdigung, deshalb haben Kane und ich die Trauung durchgespielt.“ Susannah erzählte ihrer Schwester nicht, wie real es ihr erschienen war, vor dem Altar zu stehen und Kane zu „heiraten“. Wie … schön. Wie erschreckend. Einen Moment lang hatte sie vergessen, dass es völlig verrückt wäre, Kane zu heiraten.
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