Julia Extra Band 0315
die man von einer persönlichen Assistentin erwartete. Darum war ihm ein solcher Gedanke bisher nie gekommen. Die Frage war allerdings, wieso es ihm ausgerechnet jetzt auffiel.
Wahrscheinlich hing das alles damit zusammen, dass er seit Tisa mit keiner Frau mehr zusammen gewesen war. Vor acht Wochen hatte er die Beziehung beendet, und so plump es sich anhörte … sein Körper beschwerte sich. Eine Aussicht auf Änderung bestand leider auch nicht. Das nicht existente Nachtleben in Zorha würde nicht nur Graces Möglichkeiten reduzieren, sondern auch seine eigenen.
Während Amir seinen Gedanken nachhing, hatte seine Hand, ohne dass er es bemerkte, an Graces Wange gelegen. Jetzt zeichnete er sanft die Linie ihrer Sommersprossen nach und fuhr ihr Kinn entlang, wohl wissend, dass er aufhören musste, sie zu berühren.
Sie seufzte leise, ein unglaublich verführerischer Laut. Dann hauchte sie seinen Namen im Schlaf, und er musste an sich halten, um nicht ihren weichen Mund zu küssen. Was mochte sie wohl träumen, dass ihr sein Name über die Lippen schlüpfte?
Hastig zog er die Hand zurück und wünschte, der Kontakt hätte nicht diese erregende Wirkung auf seinen Körper.
„Wünschen Sie etwas zu trinken, Sir?“
Amir sah zu dem höflichen jungen Steward auf. „Ja, einen Wodka, bitte.“
„Sofort, Euer Hoheit.“
„Sir reicht völlig.“
Der junge Mann errötete. „Ich entschuldige mich für die Nachlässigkeit, Hoheit.“
Grundgütiger, der Leibdiener seines Vaters hatte wieder das Personal gedrillt. „Mich stört es nicht.“
„Ich möchte meine Stelle dennoch gern gehalten, Euer Hoheit.“
Das verstand Amir nur zu gut. Wie so viele andere Dinge, so diktierte die Rolle, in die er hineingeboren worden war, auch seinen Umgang mit dem Personal. Ob er erleichtert oder enttäuscht war, weil er niemals herrschen würde? Bis heute konnte er diese Frage nicht beantworten. Die einzige Antwort, die er gefunden hatte, war die, dass er seinen ältesten Bruder, der eines Tages den Thron besteigen würde, nicht beneidete. Aber Zahir würde ein guter König sein, dessen war Amir sicher.
Der Steward kehrte mit dem Drink zurück – und mit einem Glas Mineralwasser. Er deutete mit dem Kopf auf die schlafende Grace. „Sie hat angewiesen, dass zu jedem Drink Wasser serviert wird.“
Die kleine Tyrannin! Dennoch nahm Amir das Glas widerspruchslos entgegen. Seit Grace für ihn arbeitete, hatte er nie mehr Durst oder einen trockenen Mund gehabt, geschweige denn einen Kater.
Erinnerungen an die Zeit nach Yasmines Tod bestürmten ihn und hinterließen einen bitteren Geschmack in seinem Mund, den auch der Wodka nicht wegbrennen konnte.
Nie wieder würde er sich selbst so verlieren. Er hatte keine Party ausgelassen, hatte sich regelmäßig betrunken, auch wenn diese Phase nur drei oder vier Monate gedauert hatte. Doch noch heute erinnerte er sich an den Morgen, als er auf dem Balkon seines Schlafzimmers aufgewacht war. Er hatte seinen Rausch auf dem harten Boden ausgeschlafen. Sein Schlafzimmer lag im ersten Stock des Palasts. Wäre er heruntergefallen, hätte er wahrscheinlich keine lebensgefährlichen Verletzungen erlitten, aber mit Sicherheit den einen oder anderen Knochenbruch davongetragen. Und wofür? Um der Frau, die er geliebt hatte, in das Leben nach dem Tode zu folgen? So melodramatisch – oder schwach – war er nicht.
Liebe war ein Gefühl, auf das er verzichten konnte. Eine Vernunftehe war genau das Richtige für ihn. Nie wieder würde er sich emotionale Schwäche erlauben.
Amir trank den Wodka und das Wasser aus und lehnte sich mit geschlossenen Augen in den Sitz zurück.
Gleich darauf wurden die Lichter in der geräumigen Kabine heruntergedreht – der Beweis, dass der Steward nicht nur gut trainiert, sondern auch aufmerksam war.
Das regelmäßige Bumm-Bumm-Bumm an ihrem Ohr weckte Grace, und sie fühlte ein hartes, aber warmes Kissen an ihrer Wange. Zusammen mit dem dezenten typischen Duft, den sie jetzt wahrnahm, sagte das ihrem schlaftrunkenen Verstand, dass sie an Amirs Brust lag. Einzig die Lampen der Notbeleuchtung erhellten die Flugzeugkabine schwach.
Einen Moment erlaubte sie es sich, dieses Gefühl auszukosten, wusste sie doch, dass sie sich schon bald zurückziehen musste. Ihr Boss sollte nicht wach werden und sie in seine Arme geschmiegt vorfinden. Schließlich musste sie es gewesen sein, die sich an ihn gekuschelt hatte. Dass er sie an sich gezogen haben könnte, war eine lachhafte
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