Julia Extra Band 0315
nicht kurieren wird.“ Ihr Lächeln wirkte seltsam gezwungen.
„Habe ich schon beim Steward bestellt.“
„Danke.“
„Ich muss mich doch um dich kümmern, du gehörst zu mir.“
Obwohl sie lachte, lag eine Traurigkeit in ihren Augen, die er nicht begriff. „Wir leben nicht mehr im Mittelalter, Amir. Die Angestellte eines Scheichs ist weder seine persönliche Verantwortung noch sein Besitz. Ich gehöre dir nicht.“
Zwar war er anderer Ansicht, verkniff sich aber den Einspruch. Schließlich war es vernünftig, was sie sagte. Aber wie sie ebenfalls gesagt hatte … da gab es Jahrhunderte, die er überwinden musste.
Grace folgte Amir in das private Esszimmer im königlichen Palast von Zorha. Wurde dieser Raum auch nur von der Familie und den engsten Freunden genutzt, so war er doch alles andere als bescheiden und erstrahlte in gediegenem Luxus. Der Teakholzboden mit den kunstfertigen Intarsien schuf den perfekten Untergrund für den großen runden Esstisch aus Marmor.
König Faruq vertrat die Meinung, dass bei einem Familienessen niemand am Kopfende sitzen sollte – eine nur scheinbar egalitäre Ansicht, denn jeder in der Familie wusste genau, wer das Sagen hatte. Dennoch mochte Grace den Herrscher. In gewisser Hinsicht erinnerte er sie sogar an ihren eigenen Vater. Beide waren Männer, die sich hingebungsvoll um ihre Familien kümmerten und es daher als ihr Recht ansahen, das letzte Wort zu haben.
Königin Adara lächelte herzlich, als Grace neben ihr Platz nahm. „Es ist schön, dich wiederzusehen, Grace“, strahlte sie.
„Danke, Eure Hoheit. Ich freue mich auch, wieder in Zorha zu sein.“
„Wie schön, dass es dir hier gefällt. Amir liebt seine Heimat.“
Mit einem Lächeln dankte Grace einer Dienerin, die die Serviette über ihren Schoß breitete. „Zu schade, dass er nicht immer hier leben kann.“
Adara nickte. „Aber so ist es nun einmal. Mein Mann hat weise erkannt, dass seine Söhne sich nicht entfalten würden, wenn sie alle drei in unserer Heimat leben würden.“
„Und da Amir der Letztgeborene ist, lebt er also die meiste Zeit im Exil?“ Grace wusste nicht, wieso sie diese Frage gestellt hatte. Auf keinen Fall wollte sie die Königin beleidigen. Aber sie wusste, dass Amir viel lieber in der Wüste bei seinem Volk leben würde, ganz gleich, wie sehr ihm die Schnelllebigkeit in New York gefiel.
Doch Königin Adara reagierte alles andere als pikiert, sondern lächelte zustimmend. „Er kann sich glücklich schätzen, dass er eine so loyale Assistentin hat.“
„Ich bin es, die Glück hat. Ich liebe meine Arbeit.“
„Und du bist gut, in deiner Arbeit und für meinen Sohn. Das macht mich sehr zufrieden.“ Adara drückte herzlich Graces Hand.
Amir sah von dem Gespräch mit seinem Vater auf und zu den beiden Frauen hinüber. „Worüber steckt ihr beide die Köpfe zusammen?“, fragte er mit gerunzelter Stirn.
Vermutlich verdächtigte er Grace, seiner Mutter von seinem Projekt zu erzählen, darum beeilte sie sich, ihn zu beruhigen. „Wir unterhalten uns darüber, wie gern du hier bist.“
„Grace bedauert es, dass du nicht immer hier leben kannst“, fügte die Königin hinzu.
Verdutzt sah er zu Grace. „Du weißt doch, wie wohl ich mich in New York fühle.“
„Natürlich. Aber du würdest lieber hier leben.“
„Würde ich hier leben, könnte ich mich nicht um das Familiengeschäft kümmern.“
Das sah Grace zwar anders, doch sie wusste nicht, wie sie es hier am Tisch ausdrücken sollte. Bevor sie die richtigen Worte fand, mischte der König sich ein.
„Bestimmte Dinge verlangt einem das Leben nun einmal ab“, erklärte er mit einer Endgültigkeit, bei der Grace das Herz schwer wurde.
Amirs Leben wurde vorgegeben durch die Rolle, in die er hineingeboren worden war. Und er war sich dessen bewusst. Kein Wunder, dass er darauf pochte, wenigstens bei der Wahl seiner Ehefrau ein Mitspracherecht zu haben. In diesem Moment entschied Grace, dass sie alles tun würde, um ihn so glücklich wie nur möglich zu machen – innerhalb der eingeschränkten Umstände seines Lebens, die sich nicht ändern ließen.
Die nächste Frage der Königin bewies, wie gut sie ihren Sohn kannte. „Warum warst du so besorgt darüber, was Grace mir erzählen könnte?“
Doch Amir zuckte nur mit den Schultern und änderte das Thema. „War Graces Bericht über die Frachtfirma zufriedenstellend, Vater?“ Er mochte der jüngste Sohn sein, doch das hieß nicht, dass er sich leicht aus der
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