Julia Extra Band 0319
nicht ab. Sie waren seelenverwandt. Bei dem trivialen Ausdruck legte sich ein Schatten auf ihre Stirn. Luc berührte ihre Hand.
„Abby, woran denken Sie?“
„Dass ich nicht nach Hause gehen will.“ Sie spürte das Blut heiß in ihre Wangen schießen, und plötzlich war es ihr gleich. „Ich will bei Ihnen bleiben.“
Luc runzelte die Stirn, Bedauern stand in seinem Blick. „Es ist schon spät. Sie sollten gehen.“
Übermütig fasste sie nach seinem Handgelenk, ihr Daumen fand instinktiv die Stelle, an der sein Puls schlug. „Nein.“ Bettelte sie etwa?
„Es ist besser“, erwiderte Luc leise. „Ich …“ Er seufzte und richtete den Blick auf ihre Finger an seinem Handgelenk. Gedankenverloren streichelte er über die weiche Haut ihrer Hand. Ein flüchtiger Kontakt nur, und doch erschauerte Abby überwältigt.
„Gibt es einen Grund, weshalb wir nicht … zusammen sein können?“, fragte sie leise und sah ihn offen an. „Sind Sie verheiratet?“
Der Druck seiner Finger wurde stärker. „Nein.“
Sie bemühte sich um einen leichteren Ton. „Gibt es da jemand Besonderen für Sie?“
„Nein, niemand.“
„Nun, dann …“ Abby holte tief Luft, klaubte ihren ganzen Mut zusammen und schenkte ihm ein Lächeln. Damit schenkte sie sich selbst. „Es gibt mich.“
3. KAPITEL
Abby war nervös. Luc fühlte den Stich des Bedauerns, etwas, das er viel zu oft in seinem Leben verspürt hatte. Er hätte es nicht so weit kommen lassen dürfen. Doch er war wie verzaubert gewesen, von Freude erfüllt, als sie die Bar betreten hatte. Es war ihm tatsächlich wie eine Vorsehung erschienen. Ein Geschenk des Schicksals. Und jetzt bot sie sich ihm an. Das größte Geschenk überhaupt.
Luc konnte es sich so gut vorstellen, denn auch er wünschte es sich sehr. Er würde ihre Hand nehmen, seine Finger mit ihren verschränken und ihr aus dem Sitz helfen, würde sie hinausführen aus der Bar, in der der Geruch von Zigaretten und Alkohol hing, und mit ihr nach oben in ein Zimmer gehen. Nein, in die beste Suite des Hauses, weniger würde er ihr nicht bieten. Vor sich sah er, wie sie in den Raum trat, schlank und elegant, und im nächsten Moment würde er hinter ihr stehen und ihr die dünnen Träger des Abendkleides von den hellen Schultern streichen und einen Kuss auf die Stelle an ihrem Hals setzen, wo ihr Puls so wild schlug.
Allein bei der Vorstellung ballten sich seine Finger unwillkürlich zu Fäusten, alles in ihm schmerzte vor Verlangen. Vor Sehnsucht, sich in einer Frau zu verlieren, in dieser Frau. Für einen Moment, eine Nacht. Denn mehr konnte es nicht sein. Er hatte nichts mehr zu geben, sein Herz war wie ein kalter Stein in seiner Brust. Doch jetzt, während er Abby betrachtete, flatterte es leise, wollte ins Leben zurückkehren.
Aber das reichte nicht. Und deshalb musste der Abend enden, hier und jetzt. Um Abbys willen.
Er setzte ein Lächeln auf, das ihm Schmerzen bereitete. Er wollte sie nicht gehen lassen. Sie war das erste Gute, was ihm seit Langem widerfahren war, vielleicht sogar jemals. Sie fortzuschicken, würde er nicht ertragen. Noch nicht.
Abby wappnete sich, sicher würde er sie zurückweisen. Oder verspürte er Mitleid mit ihr? Hatte sie sich gerade auf dem Silbertablett angeboten, nur um abgewiesen zu werden?
„Sind Sie sich im Klaren darüber, was Sie da sagen?“
„Natürlich.“ Mutige Worte. Sie streichelte über sein Handgelenk. „Sonst hätte ich es nicht gesagt.“
Luc sah auf ihre verschränkten Hände. Etwas Düsteres ging in großen Wellen von ihm aus, Abby spürte die maßlose Trauer. „Sie sind eine schöne Frau“, sagte er leise, und Enttäuschung stach mit tausend Nadeln auf Abby ein.
„Aber?“
Luc sah auf, lächelte. „Ich will Sie nicht verletzen.“
„Das werden Sie nicht.“ Noch weitere mutige Worte. Dumme Worte möglicherweise. Doch im Moment wäre alles erträglicher, als Luc und ihren erwachenden Sehnsüchten den Rücken zu kehren. Mit einem schweren Seufzer schüttelte er den Kopf. Abby hielt den Atem an, wartete gespannt und voller Hoffnung.
Dann erhob er sich und zog sie mit sich hoch.
„Wohin gehen Sie?“, fragte Abby.
„Die Frage lautet doch, wohin gehen wir?“
Abby ließ sich von ihm aus der Bar führen, der einzig zu hörende Laut war das Rascheln ihres Abendkleides bei jedem ihrer Schritte. In der Lobby redete Luc kurz mit dem Hotelangestellten hinter dem Empfang, Sekunden später geleitete er Abby zu den Aufzügen. Sie konnte kaum
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