Julia Extra Band 0319
die Musik konzentrieren konnte.“
„Abseits von den Kindern auf Hampstead Heath, nicht wahr? Von ihnen ?“
„Ja“, gab sie trocken zu und wunderte sich, wie er so schnell so vieles von ihr verstehen konnte. „Abseits von ihnen.“
In dem Schweigen, das folgte, starrte Abby fasziniert auf sein Bein. Sie konnte die Formen der Muskeln unter dem schwarzen Wollstoff erkennen und wollte dieses Bein berühren. Wollte die harten Muskeln unter ihrer Handfläche spüren, wollte seine warme Haut fühlen …
Was immer es war, das sie da dachte und fühlte, es erfüllte ihr ganzes Sein mit magischer, elektrisierender Spannung, so wie er es vorhin beschrieben hatte. Es machte sie atemlos und schwindlig und schüchtern, selbst als ihre Hand einen eigenen Willen entwickelte und sich auf sein Bein legte.
Ihr Blick richtete sich auf sein Gesicht. Sie sah das wissende Lächeln dort. Mit einem Finger strich er ihr über die Wange, und Abby erschauerte. So leicht und behutsam die Liebkosung auch war, sie lehnte sich in sie hinein und schmiegte ihre Wange in seine Handfläche. Es war ein wunderbares Gefühl, sie schloss die Augen und wünschte, dieser Moment würde nie vorbeigehen.
„Abby …“ Sie hörte die Bedenken in seiner Stimme, fast klang es wie eine Bitte. Aber von Zweifeln wollte sie nichts wissen, drehte den Kopf und setzte einen Kuss in seine Hand. Sie handelte instinktiv, die Sehnsucht gab ihr vor, was zu tun sei. Sich auf fremdes Gebiet zu begeben, war gefährlich, aufregend und wundervoll. Wie war es nur möglich, dass sie so fühlte? Ihr schien es, als wäre sie ihr ganzes Leben lang kalt und leblos gewesen und würde jetzt von Emotionen überflutet.
Luc beugte sich vor und küsste sie, strich zärtlich mit den Lippen über ihren Mund. Abby stockte der Atem. Vierundzwanzig Jahre alt und noch immer ungeküsst. Nicht richtig, zumindest. Nicht so.
Dieser Kuss war wundervoll, und sie wollte mehr. Sie überraschte sich selbst damit und wahrscheinlich auch Luc, dass sie es war, die den Kuss vertiefte. Zwar war sie unberührt und unerfahren, aber die Sehnsucht war ihr Lehrer, der beste Lehrmeister überhaupt, der sie antrieb, ihre Lippen zu öffnen und Luc jetzt zärtlich zu küssen. Als er ihr Gesicht umfasste und nun selbst mehr forderte, klopfte ihr Herz so wild wie noch nie.
Ungeduldig fingerte sie an den Knöpfen seines Hemdes, legte die Hände auf seinen Oberkörper, fühlte, wie seine Muskeln sich bei der Berührung anspannten. Luc beugte den Kopf ein wenig mehr, küsste ihren Hals, glitt mit den Lippen zu ihrer Halsmulde und immer weiter hinunter, um die samtigen Halbmonde ihrer Brust zu liebkosen, die das Dekolleté ihres Kleides freigab.
Abby schnappte nach Luft. Noch nie war sie so berührt worden, noch nie hatte sie so intensiv gefühlt. Oder so intensiv begehrt . Lucs Haar kitzelte ihre Haut, während er die Spur heißer Küsse weiterzog. Instinktiv bog sie sich zurück, um ihm besseren Zugang zu gewähren. In ihrem Kopf drehte sich alles, sie fühlte sich matt und träge und doch lebendig wie nie …
Und dann hörte es auf.
Luc hob den Kopf, schob den Träger ihres Kleides auf ihre Schulter zurück. „Du solltest besser gehen, Abby“, murmelte er mit einem unglücklichen Lächeln.
Die Enttäuschung wollte sie zerreißen. Damit hatte sie nicht gerechnet, sie wollte nicht gehen. „Aber … warum?“ Sie klang so kleinlaut und verloren, dabei sah sie das Aufblitzen von Verzweiflung in seinen Augen.
„Weil ich dich nicht ausnutzen will. Du bist jung und unschuldig, und so solltest du auch bleiben.“
Wut schoss in ihr hoch, heiß und ungezügelt. „Ich bin keine Porzellanpuppe, die man ins Regal stellt und nur ansieht.“
„Das sage ich nicht …“
„Aber jeder sieht mich so, Luc. Jeder behandelt mich so.“ Abby schluckte, plötzlich brannten Tränen in ihren Augen. Sie wollte, dass Luc verstand. Ein einziges Mal sollte jemand sie verstehen. „Wie jemanden, den man von Weitem bewundert, aber besser nicht anfasst, nicht …“ Abrupt brach sie ab, dennoch formten ihre Lippen das Wort: „Liebt“. „Du nutzt mich nicht aus, wenn ich Ja sage“, flüsterte sie dann.
Luc schüttelte den Kopf. „Weißt du überhaupt, wozu du Ja sagst?“
Ihr Lachen klang unsicher. „So naiv bin ich auch wieder nicht.“
Liebevoll strich er ihr eine Strähne von der Wange. „Wenn ich dich nur nicht so sehr begehren würde …“
Von plötzlichem Wagemut gepackt, zog sie seine Finger an ihre Lippen.
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