Julia Extra Band 0319
das Stäbchen, auf dem sich ein pinkfarbenes Kreuz abzeichnete. Ganz klar, sie hatte die beiden Proben verwechselt. Ihre Gedanken rannten hin und her, ohne Halt zu finden.
Sie konnte nicht schwanger sein.
Sie war hier, um Geld für ihre Familie zu verdienen und nicht, um mittellos mit einem Baby in einem fremden Land zu sitzen.
Sie durfte dieses Kind nicht bekommen.
Ein Baby!
Wie oft hatte sie sich die große Freude vorgestellt, wenn ein Arzt ihr eines Tages diese Mitteilung gemacht hätte. Doch statt des Glücksgefühls empfand sie nur eine lähmende Furcht.
Noch vor zwei Wochen hatte sie diesen Mann nicht einmal gekannt.
Jetzt war sie in einem islamischen Land, in dem eine unverheiratete schwangere Frau nicht geduldet wurde. Und, schlimmer noch, sie erwartete ein Baby von dem Thronfolger.
Minutenlang stand sie da, starrte auf den Test und fühlte sich wie erschlagen.
Sie trug das Kind des Scheichs Prinz Karim von Zaraq unter dem Herzen.
6. KAPITEL
Es war die längste und einsamste Nacht ihres Lebens.
Der Anruf bei ihrer Mutter hatte Felicity unendlich viel Überwindung gekostet, denn sie wollte sich ihren Kummer nicht anmerken lassen. Also erzählte sie mit fröhlicher, unbeschwerter Stimme von ihrem Alltag im Krankenhaus, obwohl sie am liebsten in Tränen ausgebrochen wäre.
Nachdem sie aufgelegt hatte, überlegte sie, was zu tun sei. Sie musste sich Geld leihen, um ein Flugticket nach Hause bezahlen zu können. Andererseits konnte sie noch ein paar Wochen arbeiten, das Gehalt sparen und dann den Vertrag brechen – schließlich hatte sie sich für ein Jahr verpflichtet. Aber was würde sie tun, wenn sie wieder daheim wäre?
Unruhig wälzte sie sich im Bett hin und her. Ihre Gedanken drehten sich im Kreis, während sie wie gebannt auf die beleuchteten Türme des Palastes starrte. Der Vergleich mit ihrer kleinen Wohnung in England war blanker Hohn.
Sie würde einem Kind nur das Notwendigste ermöglichen können, während sein Vater in unermesslichem Reichtum schwelgte. Aber schließlich ist auch er verantwortlich für das neue Leben, das in ihr wuchs, dachte sie wütend.
Wenn er es so wollte, würde sie aus seinem Leben verschwinden. Aber er hatte das Recht, von dem Baby zu erfahren, und er war in der Lage, sie zu unterstützen. Dieser Gedanke hatte etwas Tröstliches, und ganz langsam kam sie zur Ruhe.
Sie war nicht die Einzige, die eine durchwachte Nacht hinter sich hatte, stellte Felicity am nächsten Morgen fest. Jessica Hammel, ihre Patientin von gestern, hatte am Abend ein Wehen förderndes Mittel bekommen und sich stundenlang gequält, ohne dass die Geburt wirklich vorangeschritten wäre.
Jetzt wartete man auf Dr. Habib.
„Kannst du dich ein bisschen um sie kümmern?“, bat Martha, die Oberschwester.
Sofort machte sich Felicity auf den Weg.
„Wie geht es Ihnen?“, erkundigte sie sich, doch Jessica, von einer erneuten Wehe geschüttelt, konnte nicht antworten.
„Sie kommen jetzt regelmäßiger“, erklärte stattdessen Garth, Jessicas Mann. „Aber ich finde, sie sieht nicht gut aus.“
Insgeheim gab Felicity ihm recht. Hätte Dr. Habib auf sie gehört, wenn sie ihm gestern vorgeschlagen hätte, auf einen natürlichen Beginn der Geburt zu warten? Sie warf einen Blick auf den Wehenschreiber. Er hatte nicht ausgeschlagen, die Schmerzen mussten also eine andere Ursache haben.
Ganz schnell wechselte sie einen Blick mit Helen, die mittlerweile dazugekommen war. Die Kollegin verstand sofort: Hier war Hilfe dringend notwendig.
„Ich rufe Dr. Habib“, beschloss Helen.
„Was ist los?“, fragte Garth nervös. „Ist was mit dem Baby?“
Felicity hörte die Herztöne ab, die klar und gleichmäßig klangen. „Nein, dem Kind geht es gut“, beruhigte sie den werdenden Vater.
In diesem Moment betrat Dr. Habib den Raum, machte sich ein umfassendes Bild von der Situation und beschloss, das Baby per Kaiserschnitt zu holen.
Als sie sein entschlossenes und umsichtiges Auftreten beobachtete, erkannte Felicity, woher er seinen guten Ruf als Arzt hatte. Er beruhigte die Patientin, gab klare Anweisungen und wusste genau, was zu tun war. Seine Gelassenheit übertrug sich auch auf Felicity. Bis zu dem Moment, als der Name des Chirurgen erwähnt wurde, der die Operation übernehmen sollte. Karim.
Jessica Hammel wurde für den Kaiserschnitt vorbereitet und in den Operationssaal geschoben. Als Felicity mit ihr dort ankam, erkannte sie ihn sofort, obwohl er die gleiche blaue OP-Kleidung trug wie
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