Julia Extra Band 0319
Felicity ihn anlog. Man konnte keiner Frau wirklich trauen, überlegte er, während er duschte und frische Kleidung anzog.
Selbst seine Mutter hatte ihn belogen. „Bis heute Nachmittag“, hatte sie gesagt, als er sich auf den Weg zur Schule gemacht hatte. Ein letzter Kuss, und als er später zurückkehrte, hatte sie das Land verlassen.
Und auch seine eigenen Geliebten waren nie ehrlich gewesen. Sie schworen ihm, er sei der erste Mann in ihrem Leben. Oder sie beteuerten, auch für sie habe die kleine Affäre keine Bedeutung, um ihn dann weinend anzuflehen, sie nicht zu verlassen.
Und jetzt auch Felicity.
Er hatte geglaubt, sie sei anders. Sie war ihm so rein erschienen, so ehrlich, dass er zum ersten Mal einer Frau vertraut hatte. Und jetzt stellte sich heraus, dass sie ein Baby erwartete und auf der Suche nach einem treu sorgenden Vater war. Und wer hätte sich besser eignen können als ein Prinz?
An eine andere Möglichkeit wollte er nicht glauben. Es war einfacher so.
Die Gedanken schwirrten in seinem Kopf, während er das Krankenhaus mit seinem Gefolge betrat. Er besuchte seinen Vater täglich, doch heute hatte der König ihn ausdrücklich zu sich gerufen.
Sobald er das Zimmer betrat, befahl der Herrscher allen anderen Anwesenden, sie allein zu lassen. Als Karim in das hagere, bleiche Gesicht seines Vaters sah, ahnte er, worauf das Gespräch hinauslaufen würde.
„Ich habe gerade mit meinem Arzt gesprochen“, hob der König an. Seine Stimme, früher volltönend und dunkel, war leise und brüchig geworden.
Mit steinerner Miene wartete Karim, dass der alte Mann weitersprechen möge.
„In diesem Stadium meiner Krankheit ist eine Operation nicht mehr möglich.“
„Im Gegenteil“, widersprach Karim. „Eine Operation ist deine einzige Möglichkeit.“ Er sprach mit fester Stimme, wie er als Arzt zu jedem Patienten gesprochen hätte. Nur das feine Spiel seiner Gesichtsmuskeln, als er die Zähne zusammenbiss, verriet, wie nahe ihm dieses Gespräch ging. „Der Tumor muss entfernt werden, er wird größer und kann auf andere Organe übergehen.“
„Mein Herz ist zu schwach. Ich würde die Operation nicht überstehen.“
„Dann muss es eine andere Möglichkeit geben.“ Einen kurzen Moment stockte er, dann sagte er bestimmt: „ Ich werde operieren.“
„Karim!“ Der König bot seine letzten Kräfte auf. „Hör mit diesem Unsinn auf. Du bist Arzt, kein Gott. Auch du kannst keine Wunder bewirken. Wenn ich bei der Operation sterbe, wirst du dir immer Vorwürfe machen.“ Das Gespräch strengte ihn an. Erst nachdem er tief durchgeatmet hatte, konnte er weitersprechen. „Ich bekomme Medikamente, und wenn mein Herz stark genug ist, kann ich operiert werden. Nicht eher.“
„Aber der Tumor ist lebensgefährlich.“
„Karim, du hast es nicht in der Hand.“
„Du hast immer gesagt, man dürfe nicht zu früh aufgeben.“
„Sieh der Wahrheit ins Gesicht.“ Energisch zwang der König seinen Sohn, sich der Zukunft zu stellen. „Ich bin verantwortlich für mein Volk, für meine Söhne, und auch für viele Probleme in diesem Land. Aber ich bin nicht unsterblich.“
„Dieses Land hat keine Probleme, du bist ein guter Regent“, log Karim.
„Bitte, wir haben keine Zeit mehr für unehrliche Schmeicheleien. Hassan und Jamal – seit Kaliq …“ Seine Stimme erstarb, und beide Männer dachten an das winzige Baby, das nur zwei Tage lang gelebt hatte. „Hassan wird dem Land keinen Thronfolger schenken können. Ich weiß, dass du nicht König werden willst, aber du bist es deinem Volk schuldig. Ich habe bereits mit Hassan gesprochen. Er wird auf den Thron verzichten. Zaraq braucht einen starken Herrscher. Und einen Erben.“
„Du darfst nicht sterben“, flehte Karim. Er wollte diese Rolle nicht übernehmen.
„Auch wenn mir noch einige Jahre bleiben, wäre ich doch beruhigt, alles geregelt zu wissen. Du musst heiraten, Karim. Schluss mit dem Junggesellenleben. Such dir eine Frau, gründe eine Familie.“
„Was ist, wenn Jamal doch noch ein Baby bekommt?“
Mit einer Handbewegung wischte der König die Bemerkung beiseite. „Die Menschen müssen wissen, dass die Erbfolge gesichert ist, wenn ich sterbe.“
Nachdenklich schaute Karim durch die getönten Scheiben hinaus. Vor der Klinik hatten sich mindestens hundert Menschen mit Kerzen versammelt, um für die Genesung ihres Königs zu beten. Sie alle sahen in eine ungewisse Zukunft, wenn die Thronfolge nicht geregelt war. Fast nie ließ sich Karim
Weitere Kostenlose Bücher