Julia Extra Band 0319
normalen Zimmer seien schon luxuriös, dann solltest du die königliche Suite sehen! Man hat dort eigenes Pflegepersonal, das im Umgang mit hohen Persönlichkeiten geschult worden ist. Der König wird übrigens gerade dort behandelt.“ Mit einem Kopfnicken deutete sie auf die Stadt hinter den Klinikmauern. „Das Volk hält Nachtwachen und Gebete für ihn. Er ist schwer krank.“
„Was ist mit seinen Söhnen? Hast du sie schon mal gesehen?“
Felicity konnte die Frage nicht zurückhalten, doch Helen antwortete völlig ohne Argwohn.
„Prinz Hassan kommt täglich, und es gibt immer große Aufregung, wenn er mit seinem Hofstaat erscheint …“
„Ist nicht einer der Söhne Arzt?“ Obwohl sich Felicity um einen beiläufigen Ton bemühte, erntete sie einen Seitenblick ihrer Kollegin.
„Hände weg von Karim, er gehört mir.“ Sie lächelte verschmitzt. „Wer hat dir von ihm erzählt?“
„Das weiß ich nicht mehr.“ Felicity konnte nicht verhindern, dass sie rot wurde. „Eine der Schwestern hat es wahrscheinlich erwähnt.“
„Seit er mit den Regierungsgeschäften betraut ist, hat er kaum mehr Zeit, sich um die Klinik zu kümmern. Leider“, fügte sie seufzend hinzu.
„Leider?“
„Ich vermisse ihn.“ Neckisch stieß Helen Felicity an, ohne zu bemerken, dass diese nicht in ihr Lachen einfiel. „Wie gern wäre ich nur einmal ohnmächtig in seine starken Arme gesunken. Aber er hat mich nie wahrgenommen.“
„Weil er ein Prinz ist?“
„Nein.“ Helen lachte. „Weil er Chirurg ist – Ärzte wie er sind überall auf der Welt Halbgötter. Karim passt wunderbar in dieses Klischee. Hast du alle Unterlagen dabei, die ich dir aufgeschrieben habe?“, wechselte sie das Thema.
Äußerlich war Felicity an diesem Vormittag hoch konzentriert, doch in ihrem Innern war sie vollkommen aufgewühlt. Zum ersten Mal in ihrem Leben spürte sie ein Gefühl der Eifersucht.
Glücklicherweise hatte sie viel zu tun, sodass sie schließlich nicht länger an Karim denken konnte. Die Arbeit in Zaraq unterschied sich kaum von ihrem bisherigen Alltag, stellte Felicity erleichtert fest. Selbstbewusst und erfahren betreute sie die schwangeren Frauen, beruhigte hier, gab Ratschläge dort und fand sich immer besser zurecht.
In der zweiten Woche wurde sie in der Abteilung zur Schwangerschaftsberatung eingeteilt.
„Viele unserer Patientinnen kommen aus Großbritannien oder Amerika und leben für ein paar Jahre hier“, erklärte Helen. „Der Chefarzt, Dr. Habib, spricht perfekt Englisch und hat einen hervorragenden Ruf. Die Frauen fühlen sich wohl hier, weil sie wissen, dass sie nach westlichen Standards betreut werden. Außerdem lernen sie hier bei der Geburtsvorbereitung andere Frauen kennen.“
Das angeregte Stimmengewirr aus dem Wartezimmer gab ihr recht.
Felicity nahm Blutproben, überprüfte Herztöne, trug Gewichte in die Krankenakten ein und versuchte, einen Gedanken beiseitezuschieben: Ihre Periode war längst überfällig.
Vermutlich wegen der Klimaumstellung, kein Grund zur Sorge …
Mit einem Blick auf den Kalender rechnete sie nach, sagte sich, sie sei vollkommen übergeschnappt und nur ein paar Tage zu spät dran.
„Morgen bin ich für das Labor eingeteilt“, erzählte sie Helen, während sie gemeinsam in der Kantine zu Mittag aßen. Wobei Felicity das Wort Kantine fast beleidigend fand für den hellen Raum mit modernen Möbeln in freundlichen Farben.
„Und ab übermorgen darfst du endlich selbstständig arbeiten. Ich vermute, du kannst es kaum erwarten“, meinte Helen.
„Es hat mir geholfen, so gut eingearbeitet zu werden“, widersprach Felicity. „Ich hatte Zeit genug, mich an alles zu gewöhnen. Aber jetzt freue ich mich wirklich darauf, wieder auf mich gestellt zu sein.“
„Und deinen ersten kleinen Bürger von Zaraq auf die Welt zu holen“, ergänzte Helen lächelnd und erhob ihre Tasse.
Plaudernd gingen sie zurück auf die Station, als Felicity plötzlich einen aufgeregten Stoß in die Seite bekam. Erschrocken sah sie Helen an und folgte ihrem Blick. Als sie entdeckte, wer Helens Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, wurde sie blass.
Er war ins Gespräch mit einem Kollegen vertieft und steuerte mit ihm das Besprechungszimmer an. Ehe er durch die Tür ging, wandte er sich noch einmal um – und blickte ihr direkt in die Augen. Über den endlos scheinenden Flur hinweg sahen sie sich an. Karim hielt mitten im Satz inne, doch er hatte sich schnell wieder gefasst. Als sei nichts
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