Julia Extra Band 0319
geschehen, sprach er mit normaler Stimme weiter und folgte seinem Kollegen, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Sie war Luft für ihn.
Helen hatte recht. Er war ein Halbgott, der einer unbedeutenden Hebamme überhaupt keine Beachtung schenkte.
„Ist er nicht unglaublich attraktiv?“, seufzte Helen in diesem Moment.
Felicity antwortete nicht. Ihre Wangen brannten vor Scham und Demütigung, und gleichzeitig nahm sie den leichten Duft seines Aftershaves wahr.
Karim hatte ganz klare Grenzen gesetzt. Wenn ihm nur ein wenig an ihr gelegen hätte, wäre Zeit genug gewesen für ein kleines Lächeln oder einen kurzen Gruß.
„Ich muss noch einmal kurz verschwinden, geh schon vor.“ Felicity brauchte einen Augenblick für sich, um einen klaren Kopf zu bekommen, ehe sie auf die Station zurückkehrte.
„Schon wieder?“
Ja, schon wieder, dachte Felicity. Vielleicht hatte die Blutung ja mittlerweile eingesetzt. Es war lächerlich, schalt sie sich, und dennoch ging sie mit einer winzigen Hoffnung im Herzen zur Toilette.
Sie hatten doch verhütet. Es war sicherlich nur der Flug, der ihren Körper durcheinander brachte. Doch Felicity hielt die Ungewissheit nicht länger aus. Sie hatte ein kleines Behältnis mit Schraubverschluss mitgebracht, das sie nun füllte und vorsichtig in die Tasche steckte. Morgen, im Labor, konnte sie den Test machen, ohne dass jemand unangenehme Fragen stellte.
Trotz ihrer eigenen Sorgen arbeitete sie hoch konzentriert und widmete ihre Aufmerksamkeit den Patientinnen.
„Ihr Blutdruck ist gut.“ Aufmunternd lächelte sie der unentwegt plaudernden Frau zu, die neben ihr auf einem Hocker saß. Jessica Hammel war zweiundvierzig und erwartete nach vier Jungen ein fünftes Kind.
„Ich kann mir nicht vorstellen, noch einmal von vorn anzufangen mit einem schreienden Baby und durchwachten Nächten.“ Jessica verdrehte die Augen. „Vor zwei Jahren habe ich mir den Bauch richten lassen, der nach vier Schwangerschaften nicht mehr straff war. Reine Geldverschwendung, wie ich jetzt weiß.“
Felicity lächelte freundlich und wartete, ob Jessica noch etwas auf dem Herzen hatte.
„Ein Mädchen nach vier Jungs wäre schön. Ich würde gern einmal ein rosa Kleidchen kaufen.“ Ihre Stimme klang ein wenig nervös. „Dr. Habib sagt, wenn diese Untersuchung gut verläuft, kann die Geburt bald eingeleitet werden.“
Fragend schaute sie Felicity an. Dem Baby ging es tatsächlich prächtig, dennoch hätte Felicity ihm gern noch einige Zeit im Mutterleib gegönnt. Doch sie hatte hier nicht das Sagen. Sie komme nicht nach Zaraq, um die ganze Welt zu verändern, hatte sie damals zu Karim gesagt. Ach, Karim … Wie so oft in den vergangenen Tagen versuchte sie auch jetzt, den Gedanken an ihn zu verdrängen.
Nachdem Jessica Hammel gegangen war, nahm Felicity einen Schwangerschaftstest für die nächste Patientin aus dem Schrank. Kurz zögerte sie, dann zog sie einen zweiten für sich selbst heraus. Sie musste es einfach wissen!
Mit bebenden Händen griff sie nach dem Behältnis in ihrer Tasche und hielt das Stäbchen hinein. Erschrocken sprang sie auf, als Helen plötzlich hereinkam, um einen Stapel Tabletts abzustellen und nach Batterien zu suchen. Hastig schob sie den Becher zur Seite und half bei der Suche.
„Du machst deine Sache gut, alle sind sehr zufrieden mit dir.“ Helen lächelte warmherzig. „Heute Abend gehen ein paar von uns gemeinsam essen. Komm doch mit.“
„Danke für die Einladung, aber ich habe meiner Mutter versprochen, heute anzurufen.“
„Nun, vielleicht klappt es beim nächsten Mal. Wir haben immer viel Spaß.“ Schon im Hinausgehen, drehte sie sich kurz um, deutete mit einem Kopfnicken auf den Becher und fragte: „Wofür ist das?“
Diesen Augenblick hatte Felicity gefürchtet. Was sollte sie jetzt sagen? Doch Helen schien ihr Schweigen gar nicht wahrzunehmen, sondern sprach sofort weiter. „Nun, da kannst du einer Patientin ja eine gute Nachricht überbringen. Das ist immer ein schöner Moment.“
„Bitte?“ Felicitys Stimme war nur noch ein Krächzen.
Trotz der Klimaanlage war sie plötzlich schweißgebadet. Ihr wurde übel, und eine unbestimmte Angst breitete sich in ihr aus. Mit größter Kraftanstrengung gelang es ihr, den Tisch zu erreichen und auf den Schwangerschaftstest zu blicken.
„Wenn du heute Abend doch mitkommen möchtest, sag Bescheid“, bot Helen an. Dann ging sie hinaus, und die schwere Tür schloss sich hinter ihr.
Reglos starrte Felicity auf
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