Julia Extra Band 0325
ruderten den Fluss hinunter, kauften sich Tickets und machten eine Stadtbesichtung durch London auf dem offenen Deck eines roten Touristenbusses.
Und sie verbrachten träge Nachmittage im Bett, lauschten auf das stetige leise Rauschen des Londoner Verkehrs und auf das rasende Pochen ihrer Herzen. Er sagte ihr, dass sie duftete wie eine Sommerwiese und dass ihre Augen wie smaragdfarbene Sterne funkelten, und sie sonnte sich in seinen Liebkosungen und seinen Komplimenten.
Natürlich war ihr klar, dass es vorbei sein würde, noch bevor es richtig begonnen hatte. Cristiano hatte ihr nie etwas anderes versprochen. Nichtsdestoweniger konnten fünf Tage und Nächte eine ganze Ewigkeit bedeuten.
Der Schmerz wurde auch nicht geringer, nur weil sie von Anfang an gewusst hatte, dass es zu nichts führen konnte. Nachdem Cristiano fort war, fühlte Melissa eine verzehrende Leere in sich, eine trostlose Einsamkeit. Und als sie die monumentale Neuigkeit erhielt, zerbrach ihre Welt vollkommen …
„Woran erinnern?“
Cristianos harsche Frage holte Melissa mit einem Ruck in die Gegenwart zurück. Den leidenschaftlichen Liebhaber in ihrem kleinen Apartment gab es nicht mehr, nur einen distanzierten Fremden inmitten seiner adeligen Entourage.
Doch sie hielt seinem eisigen Blick stand. „Wir haben uns schon einmal getroffen, Hoheit.“
„Und?“
Melissa blinzelte verwirrt. „Und … erinnern Sie sich nicht daran?“
Cristiano schnalzte missbilligend mit der Zunge, zog das Blatt mit der Rede aus der Tasche und setzte an, sie mit einem Handwink zu entlassen. „Wissen Sie eigentlich, wie viele Menschen ich ‚getroffen‘ habe? Müsste ich mich an jeden erinnern …“ Ungeduldig verzog er seine Miene.
„Nein, Sie verstehen nicht.“ Melissa sah den überraschten Ausdruck in seinen Augen, dass sie es wagte, ihm zu widersprechen. Doch das hier war ihr letzte Chance, sie musste sie nutzen.
„Was verstehe ich nicht?“, fragte er warnend.
„Unser Treffen war … anders.“
Gehörte sie etwa zu den Frauen, die sich an die Fersen berühmter Persönlichkeiten hefteten? Cristiano kniff die Augen zusammen. Doch etwas in ihrem Gesicht, der Ausdruck in ihren Augen ließ seinen Puls ungut schneller schlagen. Er sah zu Orso hinüber, der bereit stand, diese Unterhaltung auf Cristianos leisesten Wink hin zu unterbrechen. Die Palastwachen hielten sich im Hintergrund, würden aber sofort zur Stelle sein. „Sprechen Sie weiter.“
Jeder konnte sie hier sehen. Es schien Melissa schrecklich falsch, vor den neugierigen Augen eines internationalen Publikums eine so einschlagende Botschaft zu übermitteln. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich vorschlagen, irgendwohin zu gehen, wo es privater ist.“
„Das halte ich nun wirklich für unwahrscheinlich“, kam es leise von Cristiano. „Sie haben bereits mehr als genug Konzessionen von mir erhalten. Sie haben genau zwei Minuten, um mir zu sagen, was diese Geheimnistuerei soll.“ Er presste die Lippen zusammen. „Und es sollte besser eine sehr gute Begründung sein.“
Ihre Stimme bebte, dennoch brachte sie die Worte hervor. „Wir trafen uns im Sommer vor zwei Jahren, Hoheit, in England. Die Marmorstatuen, die man auf Zaffirinthos ausgegraben hatte, gingen zu einer weltweiten Ausstellungstour auf Reisen. Die Feier, auf der wir uns trafen, sollte den Beginn der Tour markieren. Um genau zu sein, ‚treffen‘ ist eine unzulängliche Beschreibung für das, was zwischen uns passiert ist. Wir hatten eine kurze Affäre, und als Konsequenz …“ Sie konnte ungläubigen Ärger in seine goldenen Augen ziehen sehen. „… und als Konsequenz habe ich jetzt … Ich habe einen kleinen Sohn. Anders ausgedrückt, wir haben einen Sohn. Was ich sagen will, Hoheit … Sie haben einen Sohn.“
3. KAPITEL
Cristiano starrte auf Melissas blasses Gesicht. Heiße Wut wallte in ihm auf ob ihrer ungeheuerlichen Behauptung. Am liebsten hätte er sie bei den Schultern gepackt, um das Geständnis aus ihr herauszuschütteln, dass alles nur erfunden und erlogen war.
Doch das konnte er nicht, nicht, wenn alle Augen auf ihm lagen. So wie es schon sein ganzes Leben war. Adeligen Herrschern war es nicht erlaubt, Gefühle zu zeigen, und so konnte er seiner Wut auf die Engländerin keine Luft verschaffen, diesen Luxus konnte er sich nicht leisten. Er musste sich damit begnügen, unter dem Tisch die Faust zu ballen – wobei er nicht bemerkte, dass er das schneeweiße Büttenpapier mit seiner Abdankungsrede
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