Julia Extra Band 0325
Frage nach dem Geld, das sie Connor bezahlt hatten, lag ihr auf der Zunge. Das Geld, das sie verschwendet hatten. Denn Emily hätte sowieso nie den Mut gehabt, mit Connor abzuhauen.
Aber dann tauchte Javiers Gesicht vor ihrem geistigen Auge auf. Die Liebe zum Restaurant seiner Eltern leuchtete in seinen Augen. Emily dachte daran, dass alles aus einem ganz bestimmten Grund geschah.
Sie holte tief Luft. „Danke, Mutter.“
„Gern geschehen“, erwiderte Charlene und ging voran ins Wohnzimmer.
Ein Schieferkamin, der vom Boden bis zur Decke reichte, und das Familienbild über dem Kaminsims bildeten das Zentrum des Raums. Der Fotograf hatte Emilys perfektes Lächeln eingefangen. Aber heute merkte Emily zum ersten Mal, dass dieses Lächeln ihre Augen nie erreichte. Trotz jahrelanger Übung hatte sie es nicht geschafft, das hinzukriegen.
„Hat sich Aileen bei dir gemeldet?“, fragte ihre Mutter.
„Das hat sie.“
„Ich brauche deine Hilfe bei der Dinnerparty.“
„Meine Hilfe?“
„Ja. Es würde dir nichts schaden, dich mehr um das Geschäft deines Vaters zu kümmern.“
Obwohl sie dachte, dass die Auswahl von Appetithäppchen ihrem Vater kaum helfen würde, sagte Emily: „Na gut.“
Charlene nickte zufrieden. Und Emily hatte das Gefühl, sie würde es noch bereuen, so schnell nachgegeben zu haben.
Später am Abend, nachdem sie ungefähr ein Dutzend Bahnen in dem großen Swimmingpool im Garten geschwommen war, streckte Emily sich auf einer Liege aus. Ein Schreibblock lag auf ihren nackten Oberschenkeln, und sie kaute am Ende eines Stifts. Eine Linie teilte das Blatt in zwei Hälften. Jede Seite hatte eine Überschrift. Links stand: „Was macht dich glücklich?“ Und rechts: „Was willst du?“
Bis jetzt waren beide Seiten leer. In Gedanken war sie die vielen Hobbies und Aktivitäten durchgegangen, denen sie sich in den achtundzwanzig Jahren ihres Lebens gewidmet hatte. Von den Schönheitswettbewerben bis zu den Theaterstücken, dem Ballett und den Tanzkursen hatte sie das Gefühl, alles nur getan zu haben, um andere Menschen zufriedenzustellen: ihre Eltern, ihre Lehrer, ihre Trainer.
„Was will ich?“, fragte sie laut.
Javiers Gesicht kam ihr in den Sinn – die dunklen Augen und das sexy Lächeln. Obwohl es über dreißig Grad waren, überlief sie ein Schauer, und sie bekam eine Gänsehaut.
Sie senkte den Stift, bis die Spitze über der rechten Spalte verharrte. Dann umfasste sie den Stift fester, bewegte ihn nach links und schrieb Javiers Namen.
Feigling, spottete die Stimme ihres Gewissens.
Du bist die tapferste Frau, der ich je begegnet bin.
Sie setzte sich aufrecht hin, strich seinen Namen durch und malte einen Pfeil nach rechts.
Als ihr Mobiltelefon klingelte, zuckte Emily zusammen. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als sie es aufklappte. „Hallo?“
„Emily? Ich bin’s, Javier. Ich habe mit Anna gesprochen. Obwohl ich dich auch so angerufen hätte. Nur um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist.“
„Mir geht’s gut“, behauptete sie.
Er sagte so lange nichts, dass Emily sich schon fragte, ob die Verbindung unterbrochen war. Dann erwiderte er mit einem Seufzer: „Es tut mir wirklich leid, dir das sagen zu müssen, Emily, aber du bist eine lausige Lügnerin.“
Zuerst wollte sie das abstreiten. Dann lachte sie leise und schuldbewusst. „Ich weiß. Schon immer. Vielleicht ganz gut so. So bleibe ich ehrlich.“
„Jetzt müsste es nur noch einen Weg geben, die anderen Menschen dazu zu bringen, das auch zu sein.“
Emily hatte jedenfalls genug Menschen erlebt, die sie getäuscht hatten. Aber sie glaubte nicht, dass Javier gerade von ihr sprach. Hier ging es um ihn. „Ich schätze, es gibt keine Garantien im Leben. Aber nicht alle Frauen lügen, Javier.“
Wieder verstummte er. Diesmal vor Überraschung. Aber er fasste sich schnell. „Würde ein Mann, der Frauen so verehrt wie ich, je so etwas sagen?“
Vielleicht nicht laut. Aber Emily bezweifelte keine Sekunde, dass es einmal eine Frau in seinem Leben gegeben hatte, die gelogen hatte. Wer war sie? fragte sie sich. Aber sie sprach die Frage nicht laut aus, weil sie wusste, dass er nicht antworten würde. Merkwürdigerweise tat ihr das weh.
Stattdessen konzentrierte sie sich auf die Überschrift der rechten Spalte. Sie musste Javier Delgados Lebensgeschichte nicht kennen, um glücklich zu sein.
Hier geht’s darum, Spaß zu haben, ermahnte sie sich. Javier war ein Charmeur, der kein Interesse an einer langfristigen
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