Julia Extra Band 0325
verletzt, als er sie betrogen und vorgegeben hatte, jemand zu sein, der er nicht war. Was Javier anging, wusste sie Bescheid. Sie wusste, wer er war und wer nicht. Und sie hatte keine Erwartungen, die darüber hinausgingen.
Sie dachte immer noch darüber nach, während sie zur Rückseite des Restaurants schlenderte, zur Bar und zur Terrasse. Als sie Maria durch die Glastüren hindurch erblickte, erstarrte Emily. Sie wollte schon wegschleichen, als sie bemerkte, wie Javier auf seine Mutter zuging.
„Noch ein Stück von meinem Miguel … verschwunden. Bald ist nichts mehr von ihm übrig.“ Die Scheiben dämpften die Worte, aber Emily konnte das niederschmetternde Gefühl des Verlusts aus Marias Stimme heraushören.
„Das ist nicht wahr. Du hast immer noch das Restaurant. Und du hast deine Erinnerungen. Die kann dir niemand nehmen.“ Trotzdem zeichnete sich immer noch Trauer auf dem Gesicht seiner Mutter ab. Eilig versprach er: „Und ich kann die Stühle und Tische wieder herrichten –“
„Das ist nicht dasselbe, hijo. “
Hastig kehrte Emily in den Gastraum zurück, bevor Javier oder seine Mutter auf sie aufmerksam wurden. Hier traf Javier sie ein paar Minuten später an. „Es tut mir leid, dass es so lange gedauert hat“, entschuldigte er sich.
„Alles okay?“, fragte sie, obwohl sie wusste, wie er antworten würde.
„Ja, alles klar. Die Sache mit der Versicherung ist nervig, aber auch das bekommen wir hin.“
Aber das ist nicht dasselbe.
Kein Wunder, dass er nur widerwillig über seine Ideen für das Restaurant gesprochen hatte, wenn er bereits wusste, wie seine Mutter reagieren würde. Emily wünschte sich, ihm ein bisschen von dem Selbstvertrauen zurückgeben zu können, das er ihr gestern beim Tanzen vermittelt hatte.
Ohne etwas zu sagen, streckte sie die Hand aus. Sie streichelte mit den Fingerspitzen über die Sorgenfalten auf seiner Stirn, bevor sie die Hand an seine Wange legte. Die rauen Bartstoppeln zu spüren, jagte ihr einen Schauer den Rücken hinunter … Seine Augen verdunkelten sich vor Lust, und Emily vergaß beinahe, warum sie ihn überhaupt berührt hatte.
„Ich weiß, du schaffst das“, sagte sie sanft. Wenn sie nur wüsste, wie sie ihn davon überzeugen könnte …
Er hob die Hand und umfasste ihr Handgelenk. Langsam zog er ihre Hand zu seinem Kinn hinunter, bis seine Lippen ihre empfindliche Haut berührten. „Da scheinst du dir ja sehr sicher zu sein.“
Emily schluckte. „Ich glaube, du schaffst alles, wenn du nur willst.“
Beinahe andächtig fuhr er mit der freien Hand über die kunstvoll geschnitzte Rückenlehne eines Stuhls. „Mein Dad hat die Möbel gemacht. Er hat in seiner Freizeit daran gearbeitet. Daher hat er Monate gebraucht, bis irgendetwas fertig war.“
„Dein Vater war sehr begabt.“
„Ich weiß nicht mehr, wie oft er versucht hat, mir zu zeigen, wie er jedes Blatt und jede Blüte geschnitzt hat. Es hat ewig gedauert, und ich wollte raus und mit meinen Freunden spielen. Ich hab’s einfach nicht kapiert. Und nach einer Weile hat er aufgegeben.“ Sie merkte, dass Javier nicht nur darüber sprach, das Handwerk seines Vaters zu erlernen – es klang fast so, als ob er das Gefühl hatte, sein Vater hätte ihn aufgegeben.
„Javier –“
„Und jetzt ist es zu spät“, unterbrach er sie.
Vielleicht war es zu spät, den Konflikt zwischen Javier und seinem Vater aus der Welt zu schaffen. Aber in Emily regte sich langsam Wut auf Maria, weil seine Mutter nicht verstand, wie wichtig das für Javier war.
„Woher weißt du das?“, fragte sie herausfordernd.
„Was?“
„Woher weißt du, dass du die Sachen nicht reparieren kannst, wenn du es nicht versuchst? Was hast du mir letzte Nacht noch gesagt? Jetzt wird nicht mehr zugeschaut.“
Langsam breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. „Willst du damit sagen, es ist jetzt Zeit zu tanzen?“
Ginge es nach ihrem Herzen, war es Zeit, um Samba, Tango und ein bisschen Salsa zu tanzen. Jedenfalls solange Javier ihr Tanzpartner war. Spontan erwiderte Emily: „Du solltest mit deiner Mutter auch darüber reden, das Restaurant zu renovieren.“
Javiers Lächeln schwand, und er schüttelte den Kopf. „Meine Mutter mag wirklich keine Veränderungen. Es ist besser, sich damit abzufinden.“
„Besser? Oder einfacher? Glaub mir, ich weiß, wie man es sich einfacher macht.“ Wenn sie nicht gerade an Javier gedacht hatte, hatte sie in der letzten Nacht viel Zeit gehabt, um sich mit ein paar
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