Julia Extra Band 0328
dass es ein formeller Abend werden würde, also war sie in ein bodenlanges cremefarbenes Satinkleid geschlüpft, das bei jeder Bewegung raschelte. Der Rücken blieb fast frei, und das Kleid wurde nur von zwei dünnen Trägern gehalten. Jessa hatte gemeint, ihre typisch englische Blässe würde sie kränklich erscheinen lassen. Doch die Farbe des Kleides ließ ihre Haut erglühen, und die Sommersprossen unterstrichen diese Frische noch zusätzlich.
„Du siehst reizend aus“, sagte eine vertraute Stimme hinter ihr. Sie zuckte zusammen, obwohl ihr natürlich klar war, wem die Stimme gehörte. Ihr Körper wusste es auch, ohne dass Worte gesprochen wurden. Er reagierte auf seine bloße Anwesenheit, auf seine Nähe in einem vertrauten Aufruhr wilder Hitzewallungen.
Tariq stand im Türrahmen und sah unverschämt gut aus in einem Smoking, der seinen großen, starken Körper bestens zur Geltung brachte. Das Grün seiner Augen war leuchtender als gewöhnlich und stach atemberaubend unter dem schwarzen Haar hervor. Seine harten Züge erschienen heute Abend nicht so unnahbar. Jessa spürte, dass auch sie überrascht war.
„Bin ich zu spät dran?“, fragte sie. Angesichts so viel umwerfend männlicher Attraktivität spürte sie plötzlich Schüchternheit aufkommen. Als ihre Blicke sich im Spiegel trafen, sah sie mit geröteten Wangen zur Seite.
„Überhaupt nicht“, sagte er, und sie wusste, dass er schwindelte. Seine Augen strahlten so große Zärtlichkeit aus, dass es ihr fast schon zu viel war. Sie konnte damit nicht umgehen.
„Wo gehen wir heute Abend eigentlich hin?“, fragte sie zurückhaltend.
Der Raum schien sich um sie zu drehen, und sie versuchte zu ignorieren, dass seine Erscheinung sie berührte, ihre Knospen sich versteiften und dass sie wieder dieses Ziehen im Unterleib verspürte. Ab und zu legte er ihr die Hand auf den nackten Rücken oder war ihr beim Aussteigen aus dem Wagen behilflich. Diese Berührungen sandten Signale in alle Regionen ihres Körpers. Die erste Nacht hatten sie in allen möglichen Positionen in heißer Leidenschaft miteinander geschlafen. Seither sprachen sie nur mehr miteinander – ein seltsamer Gegensatz. Nachts schlief er nicht mehr mit ihr, und doch spürte ihr weiblicher Instinkt, dass er sie mindestens ebenso sehr wie früher begehrte.
„Ich muss an einem Benefiz-Dinner teilnehmen“, sagte Tariq und zuckte die Schultern. „Nichts Bedeutendes. Das Essen, eine Rede oder zwei, und ein paar Runden Tanz. Du wirst dich grässlich langweilen.“
Als ob das jemals möglich wäre, wenn sie mit diesem Mann ausging. Jessa zwang sich zu lächeln, achtete jedoch darauf, sich ihren Gefühlsaufruhr nicht anmerken zu lassen. Sie befand sich in einem Traum, mehr nicht. Aschenputtel wurde zum Ball ausgeführt. Der Rest des Märchens würde niemals Wirklichkeit werden. Sie hatte sich nie dafür beworben, sie hatte kein Recht auf diesen Traum oder andere Aschenputtelträume, das war ihr vollkommen klar.
„Ich bin bereit“, sagte sie. Sie wollte sich ihm zuwenden, hielt aber inne. Auf seinem Gesicht stand etwas geschrieben, das sie stutzig machte. Als ob er auf ihre Worte gelauert hätte, nur in einem anderen Zusammenhang. Ihr Puls raste.
„Tariq?“ Sie brachte nur ein Flüstern heraus.
Er verschlang sie mit den Augen, sein Mund war ein harter Strich, und gegen jede Vernunft sehnte sie sich danach, ihre Lippen auf diesen Mund zu pressen. Ihr Herzklopfen machte sie rasend.
Einen Augenblick lang schien es, als ob er die Distanz zwischen ihnen verringern wollte. Mit den Augen liebkoste er ihren Mund, es fühlte sich an, als benutzte er seine Fingerspitzen. In schwellender Sehnsucht teilten sich ihre Lippen.
„Also gut“, sagte er rau. All das, was er nicht getan hatte, war von seinen Augen abzulesen. „Gehen wir.“
Tariq bin Khaled Al-Nurs Auffassung von einer unbedeutenden Veranstaltung deckte sich nicht ganz mit Jessas Vorstellung. In Wirklichkeit handelte es sich um eine Prominentengala allererster Güte. Kirchliche Würdenträger, Politiker und der europäische Hochadel sonnten sich abwechselnd mit Filmstars und internationalen Berühmtheiten in einem Blitzlichtgewitter, das alles in den Schatten stellte. Die Gala fand in einem Luxushotel nahe der Place Vendôme und den Tuilerien statt. Jessa wusste nicht, wohin sie zuerst schauen sollte. Auf die Fresken, welche die Decken des Empfangsraums zierten, oder auf die vergoldeten Kronleuchter hoch über dem vornehmen Rot der
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