Julia Extra Band 0328
unter seinen Händen, als ob sie sich für seine Gefangene hielt und prüfen wollte, wie weit sie freikommen könnte.
Tariq reagierte nicht. Er hielt sie lediglich liebevoll im Arm.
„Morgen früh“, fuhr sie bedacht fort, „kehre ich wieder nach Hause zurück. Ich denke, das wird das Beste sein.“ Sie bewegte sich weg von ihm, und er zog seinen Arm zurück.
„Tariq?“ Sie drehte sich zu ihm. Er rollte auf den Rücken und spürte plötzlich ein völlig neues Gefühl in sich aufsteigen. Ein Gefühl von Frieden in ihrer Nähe. „Soll ich mir anderswo etwas zum Schlafen suchen?“, fragte sie zögerlich. Oder war es Angst vor ihm?
Er hielt es nicht mehr aus. Er wollte gar nicht erst über den Grund nachdenken. Schließlich stieg etwas in ihm empor, von dem er nicht einmal wusste, dass es existierte. Er flüsterte ihr ins Ohr: „Ich will nicht, dass du mich verlässt, Jessa.“
13. KAPITEL
Die Wochen flogen dahin, doch Jessas Abreise war zwischen beiden nie wieder ein Thema gewesen. Sie hatte ihre Schwester angerufen und ihren Chef, und sie hatte den langen Überstundenurlaub genommen, den sie vorher nie berücksichtigt hatte.
Nun hatte sie reichlich Zeit, um sich in Paris umzuschauen, während Tariq die Stunden hauptsächlich mit geschäftlichen Meetings verbrachte. Er traf sich oder telefonierte mit seinen engsten Beratern, politischen Freunden und pflegte Geschäftskontakte, kurzum: Er regierte sein Königreich aus der Ferne.
„Ich habe Paris immer sehr gemocht“, gestand Tariq eines Abends, als sie bei einem Espresso in einem der berühmten Restaurants in der Stadt saßen. „Mein Onkel nutzte diese Residenz als Ferienhaus, doch ich habe mich entschlossen, daraus meinen Stützpunkt für Europa zu machen.“ Er lehnte sich in träger Gelassenheit auf seinem Stuhl zurück. Sein Einfluss und die Kraft, die in seinem muskulösen Körper steckte, strahlten auf die gesamte Umgebung aus.
Es sah so aus, als hätten sie sich nie bekriegt. Natürlich trog der Schein. Der Waffenstillstand zwischen ihnen war weit gefährlicher als die Streitereien, die sie ausgefochten und wieder beigelegt hatten. Für Jessa war es viel riskanter, wenn er ihr auf diese besondere Art in die Augen sah, wie er es an diesem Abend tat. Zärtlichkeit, meinte sie sich zu erinnern, nannte man das.
Später, zurück in der Residenz, hatte sich Tariq höflich entschuldigt und sie allein in der Schlafzimmersuite zurückgelassen, und sie dachte noch einmal über den Abend nach. Jeremy war nun nicht mehr ihr privates Problem, sie teilten es nun beide. Und das bedeutete, dass nicht nur der Schmerz geringer geworden war, sondern dass auch die Wände eingestürzt waren, die sie zur Sicherheit errichtet hatte, um den Jungen zu schützen. Sie wollte nicht weiter darüber nachdenken, wann sie zum letzten Mal so gefühlt hatte und was danach mit ihr passiert war.
„Du bist dumm“, flüsterte sie sich laut zu. Das teure Mobiliar um sie herum verschluckte jeden Ton.
Sie vermied es aber auch, an den entscheidenden Punkt zu denken, den sie Tariq gegenüber zurückbehalten hatte. Diese eine kleine Information über Jeremy, die sie nicht übers Herz brachte, mit ihm zu teilen. Sie wusste nicht, wie weit sie ihm da vertrauen konnte. Denn tief im Innern war ihr bewusst, dass all das, was sie gerade erlebte, ein Trugbild war, das nicht ewig andauern würde, nicht könnte. Ihr Versprechen, Jeremy zu schützen, galt für immer. Es musste sein.
Als Jessa sich wenige Tage später vor dem Abendessen umzog, ging ihr durch den Kopf, dass sie nun gemeinsam eine wunderschöne Zeit hatten. Als könnten sie damit erträglicher machen, dass sie sich in der Vergangenheit so schrecklich wehgetan und verletzt hatten?
Sie steckte ihr Haar zu einem Knoten hoch, dann blickte sie lange in den Spiegel. Sie fühlte sich wie Aschenputtel. Und blickte sie da nicht tatsächlich Aschenputtel aus dem Spiegel an? Man konnte sich so leicht an das Leben der letzten Wochen gewöhnen, musste sich um nichts kümmern, wanderte am Tag durch die große Stadt und genoss am Abend mit Tariq die vielfältigen Facetten des Pariser Nachtlebens. Das Ankleidezimmer enthielt eine reiche Auswahl an Kleidern, die perfekt auf ihre Maße zugeschnitten waren, und ließ sie wie eine völlig andere aussehen als Jessa Heath aus Fulford, die Büroleiterin eines Immobilienbüros, ein Niemand auf der ganzen Linie.
Diese Jessa in dem Spiegel war kein normales Yorkshire-Geschöpf. Tariq hatte verkündet,
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