Julia Extra Band 0328
unnatürlich leise. Keinesfalls wollte sie die Beherrschung verlieren. „Ja, dein Vater war Arzt. Aber er war auch der jüngere Bruder des Königs!“
„Du wirst doch sicherlich verstehen“, sagte Tariq mit einem Hauch von Grandezza, „dass wir uns seinerzeit den Sicherheitsvorschriften beugen mussten.“
Was machte er mit ihr? Er tat ja geradewegs so, als hätte sie ihm Unrecht getan. Dabei war er es gewesen, der sie belogen und verlassen hatte.
„Sicherheitsvorschriften?“ Sie lachte, als ob sie die Sache nicht betreffen würde. „So nennst du das? Du hast einen Menschen erfunden, der niemals existiert hat. Und hast vorgegeben, dieser Mensch zu sein.“
Er lächelte. Ein Wolfslächeln.
„Es tut mir leid um deinen Onkel“, murmelte sie mit einer Stimme, die sanfter klang als gewollt.
„Mein Onkel, seine Frau und beide Söhne starben bei dem Unfall“, sagte Tariq seltsam unbeteiligt. Ihr Beileid wollte er nicht. „Und so kommt es, dass ich nicht nur der Herrscher von Nur geworden bin, sondern der Letzte in der Erbfolge bin. Kannst du dir vorstellen, was das bedeutet?“
Der Gedanke, dass sie sich das sehr genau vorstellen konnte, schockierte sie. Noch mehr aber schreckte sie die Überlegung, dass er eine genaue Idee haben könnte, was es bedeutete. Das durfte sie nicht zulassen.
„Du trägst eine große Verantwortung, denke ich“, sagte Jessa. Sie hatte noch immer keine Erklärung dafür gefunden, dass er einfach hier hereinschneite und sich mit ihr über die Thronfolge unterhielt. Vielleicht hatte er einen Verdacht? Sie musste ihn schleunigst loswerden. „Was sollte ich schon über deine Probleme wissen? Ich bin eine einfache Angestellte, keine Königin.“
„In der Tat.“ Reglos und angespannt sah er sie an. Wie ein Tier vor dem Sprung. „Ich bin auf eine Weise für mein Volk und mein Land verantwortlich, wie ich es bislang nicht kannte. Das schließt auch ein, dass ich in die Zukunft blicken muss.“ Er sah sie an. „Ich muss heiraten und einen Erben bekommen. Je früher, desto besser.“
Jessas Atem entlud sich in einer kleinen Explosion. Sie war benommen. Er wird doch wohl nicht annehmen …? Doch es gab einen Teil in ihr, tief drinnen versteckt, der sich genau das erhoffte. Sie sehnte sich danach, dass er es aussprechen möge – um diesen bittersüßen Traum der vergangenen Jahre zu erfüllen: Sie wollte seine Frau werden. Tariqs Frau.
„Das ist lächerlich“, schalt sie ihn – und sich selbst. Sie war ein Nichts. Er war der König von Nur. Und selbst wenn er ein normaler Mann gewesen wäre: Sie hatte schließlich die schreckliche Vergangenheit mit ihm. Unmöglich. Es war immer unmöglich gewesen. „Du kannst doch nicht mich heiraten.“
„Zuerst ärgerst du mich“, sagte Tariq im Ton normaler Konversation, „und nennst mich einen bemitleidenswerten Playboy. Dann wieder willst du mich wie ein lästiges Insekt hinauswerfen, und nun schimpfst du mich wie ein unartiges Kind.“ Sein Lächeln kam nicht von Herzen. „Wäre es möglich, dass du übersiehst, mit wem du es zu tun hast?“
Jessa wusste nur zu gut, mit wem sie es zu tun hatte. Sie konnte sich ausmalen, was zu tun er imstande war. Mehr allerdings fürchtete sie sich davor, was er jetzt anstellen würde.
„Ich habe kein einziges Detail vergessen, Tariq.“ Sie klang ruhig und stark. Genau so, wie es sein sollte. „Deshalb muss ich dich nochmals bitten zu gehen. Bitte.“
Tariq zuckte lässig mit den Schultern. Seine Augen aber sprühten Feuer.
„Du verstehst mich nicht richtig“, sagte er und lächelte freundlich. „Ich pflege nicht um die Hand irgendwelcher Exliebhaberinnen anzuhalten, deren Herz voller Verachtung für mich ist. Kannst du das verstehen?“
Es brauchte eine Zeit, bis sie seine Worte verarbeitet hatte. Nur allzu deutlich erinnerte sie sich daran, wie sein Handy abgemeldet war, die Londoner Wohnung verlassen, und sie war damals nicht schlau daraus geworden. Bildete sie sich wirklich ein, dass er plötzlich aus dem Nichts auftauchte, weil er wünschte, sie zu heiraten? Wieder einmal war sie unerträglich töricht, so als hätte es die vergangenen fünf Jahre nicht gegeben.
„Was ist wirklich deine Absicht?“, fragte sie ihn kühl. „Ich habe keine Lust, Spielchen mit dir zu spielen.“
„Das habe ich bereits ausgeführt.“ Er sagte es mit sanfter Stimme. Doch mit drohendem Unterton. „Muss ich mich wiederholen? Ich kann mich nicht erinnern, dass du früher so schwer von Begriff warst,
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