Julia Extra Band 0331
Dutzend Aktionäre auf meine Entscheidung bezüglich einer Zehn-Millionen-Euro-Investition. Ich hatte meinen Stellvertreter zu der Sitzung geschickt, aber dann hat sich herausgestellt, dass er über den Deal nicht voll informiert ist. Ich bin untröstlich, querida , aber das ist wirklich wichtig.“
„Und das, worüber wir gerade sprachen, ist es nicht?“
Er trommelte nervös mit den Fingern auf die Tischplatte. „Natürlich ist es das. Ich komme so schnell wie möglich zurück, und dann reden wir, so lange du willst. Aber ich kann meine Verpflichtungen …“
„Es gibt viele Arten von Verpflichtungen, Rodrigo“, schnitt sie ihm mit zornbebender Stimme das Wort ab. „Ich verstehe, dass du eine Verantwortung gegenüber deiner Arbeit hast, aber manchmal muss man eben Prioritäten setzen. Und wenn die Tatsache, dass du in einigen Monaten Vater sein wirst, keine Priorität für dich hat, dann weiß ich ehrlich gesagt nicht, was wir noch zu besprechen hätten.“
Mit diesen Worten warf Jenny ihre Serviette auf den Tisch und sprang so hastig auf, dass sie beinah das Gleichgewicht verloren hätte. Eine Sekunde später war auch Rodrigo auf den Füßen, doch sie stieß ungehalten seine hilfreich ausgestreckte Hand beiseite, ohne sich um die neugierigen Blicke zu kümmern, mit denen die anderen Gäste sie musterten.
„Wenn du jetzt in dein Hotel fährst, kann ich auch gehen.“ Sie mobilisierte all ihre Kräfte, um nicht in Tränen auszubrechen. „Eine letzte Frage noch Rodrigo, dann werde ich dich nicht länger aufhalten. Gesetzt den Fall, dein Kind wäre krank, und ich bräuchte deine Unterstützung. Würdest du dann auch sagen, tut mir leid, Jenny, aber ich muss jetzt zu einer wichtigen Besprechung?“
Bevor Rodrigo etwas erwidern konnte, winkte sie mit einer müden Handbewegung ab. „Schon gut, bemüh dich nicht. Ich kenne die Antwort bereits.“
Nie zuvor hatte er eine so unerträgliche Ungeduld empfunden. Während sein Chauffeur sich durch den dichten Verkehr kämpfte, blickte Rodrigo alle paar Sekunden auf seine Uhr und fragte sich, wie es Jenny gerade ging.
Als die Sitzung endlich ein Ende gefunden hatte und die hochzufriedenen Aktionäre ihm mit Champagner zuprosteten, hatte er die Zähne zusammenbeißen müssen, um sie nicht beiseitezustoßen und aus dem Konferenzsaal zu stürzen. Er hätte das Meeting verschieben sollen. Sein Status hätte es ohne Weiteres zugelassen, einen Termin durchzusetzen, der ihm besser passte, aber als Ramos ihn völlig aufgelöst anrief, war ihm diese Möglichkeit gar nicht in den Sinn gekommen.
Rodrigo lockerte seine Krawatte und blickte mit grimmiger Miene aus dem getönten Wagenfenster. Wieso ging das nicht schneller? Er wollte nur noch bei Jenny sein, alles andere war ihm egal.
Nie würde er ihren Gesichtsausdruck vergessen, als sie ihn gefragt hatte, ob er sein krankes Kind in einer ähnlichen Situation auch einfach im Stich lassen würde.
Verdammt, er hatte es schon wieder vermasselt!
Da gab ihm das Schicksal diese unglaubliche Chance, es einmal in seinem Leben richtig zu machen, und er verspielte sie wegen einer geplanten Beautyfarm für gelangweilte Millionärsgattinnen.
Der Chauffeur hatte angehalten, um ein junges Paar mit einem Kinderwagen über die Straße zu lassen. Rodrigo beobachtete, wie die beiden mit dem Baby schäkerten, während sie den Wagen über den Zebrastreifen schoben, und plötzlich überwältigte ihn eine solche Sehnsucht, Jenny fest an sich zu drücken und ihr zu gestehen, wie sehr er sie liebte, dass es ihm sekundenlang den Atem raubte.
Wieso hatte er bloß so lange gebraucht, um zu erkennen, was für ein kostbares Juwel er in seinen Händen hielt? War er blind gewesen? Was, wenn sie ihn nach dieser erneuten Enttäuschung für immer in die Wüste schickte? Obwohl es ganz allein seine Schuld wäre, glaubte Rodrigo nicht, dass er es ertragen könnte. Sie erwartete sein Kind, und wenn sie ihm noch eine letzte Chance gab, würde er ihr all die Liebe und Unterstützung geben, die sie sich immer von ihm gewünscht hatte.
Nie wieder würde ein verdammtes Meeting den Vorrang vor ihr haben!
Er zog die gläserne Trennscheibe auf und teilte dem Chauffeur mit, dass er den Rest des Weges zu Fuß gehen würde. Dann sprang er aus dem Wagen und sprintete los, als wollte er Carl Lewis den Rang ablaufen.
Sie war weg.
Ihr Koffer war nicht mehr da, und auch sonst deutete nichts darauf hin, dass sie je dieses Apartment betreten hatte. Mit wachsender Panik
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