Julia Extra Band 0331
lief Rodrigo von Raum zu Raum, in der Hoffnung, wenigstens einen kleinen Hinweis zu entdecken, der ihm verriet, wohin sie gegangen war. In der Küche wurde er endlich fündig. Neben dem Brotkasten lag ein Zettel mit einer hastig hingekritzelten Telefonnummer und einer Londoner Adresse.
Ein Anruf beim Pförtner bestätigte, was Rodrigo bereits vermutet hatte: Sie hatte ein Taxi bestellt und war zum Flughafen gefahren.
Zum Glück kannte Rodrigo den Leiter des Flughafens von einer Managertagung, und so betrat er vierzig Minuten später die Abflughalle, zu der normalerweise nur Personal und Passagiere Zutritt hatten.
Das Herz schlug ihm wie ein Presslufthammer gegen die Brust, als er den Blick über die Schar der wartenden Fluggäste schweifen ließ. Schließlich entdeckte er sie auf einer Bank in der Nähe des Boardingschalters. Sie unterhielt sich mit einem Teenager mit Baseballkappe und überdimensionalem Sweatshirt, der ihr offenbar gerade die Feinheiten seines Skateboards erklärte.
Rodrigo rückte seine seidene Krawatte zurecht und nahm sich einige Sekunden Zeit, um sich zu fassen. Als hätte Jenny seine Gegenwart gespürt, hob sie in diesem Moment den Kopf, und ihre Blicke trafen sich.
Als er auf sie zuging, ohne dabei auch nur für eine Sekunde den Blick von ihr abzuwenden, spürte er, wie ihm die Worte, die er ihr so verzweifelt sagen wollte, auf den Lippen erstarben. „Vergib mir“, konnte er nur heiser hervorbringen, als er endlich vor ihr stand. „Ich war ein Idiot, dass ich zu diesem Meeting gegangen bin, anstatt zu bleiben und mit dir zu reden.“
„Was … was tust du hier, Rodrigo?“ Jenny rang noch immer sichtlich um Fassung.
Die Andeutung eines Lächelns zuckte um seine Mundwinkel. „Das sollte ich besser dich fragen, mein Engel.“
Sie senkte traurig den Kopf. „Ich fliege nach Hause“, sagte sie leise. „Ich würde durchs Feuer für dich gehen, Rodrigo, aber ich will nicht sein, wo ich nicht erwünscht bin. Als du mich in dem Restaurant einfach allein gelassen hast, um zu deiner Besprechung zu gehen, habe ich endgültig begriffen, dass sich nie etwas ändern wird. Deine wahre Liebe ist deine Arbeit, nicht ich oder unser Baby.“ Sie schluckte hart. „Wir können alles Weitere am Telefon besprechen. Ich habe dir meine Nummer dagelassen.“
„Du würdest für mich durchs Feuer gehen, hast du gesagt?“
Unter Tränen blickte sie zu ihm auf. „Ich liebe dich, Rodrigo. Weißt du das denn nicht?“
Das Blut pochte so heftig in Rodrigos Schläfen, dass ihm für einen Moment schwindlig wurde. Als er in den harten Stuhl neben Jenny sank, fiel sein Blick auf den Teenager mit dem Skateboard, der mit offenem Mund ihr Gespräch verfolgte. „Hättest du etwas dagegen, wenn ich einige private Worte mit meiner Verlobten wechsle?“, erkundigte er sich in ausgesucht höflichem Tonfall, worauf der Junge sich eilig verzog.
Jenny schluckte und presste sich die Hand aufs Herz. „Was hast du da gesagt …?“
„Warte eine Sekunde, Jenny Wren“, bat Rodrigo sie. „Ich will das Richtig tun.“
Feierlich ging er vor ihr auf die Knie, nahm ihre Hand und zog sie an seine Lippen. „Bitte heirate mich, Jenny Renfrew, und dieses Mal für immer.“ Er zog den goldenen Siegelring von seinem kleinen Finger und streifte ihn über Jennys Ringfinger. „Heirate mich, und mache mich glücklicher, als ich es verdiene.“
„Meinst du das ernst, Rodrigo?“ Jennys Stimme war kaum mehr als ein Krächzen. Das ganze Szenario war so … unwirklich.
„Ernster, als mir je etwas gewesen ist“, versicherte er ihr. „Mein Vater hat mir von Kindheit an eingetrichtert, dass es für einen Mann nichts Wichtigeres im Leben gibt als seine Arbeit, nicht einmal die Liebe. Aber der Traum vom Glück durch beruflichen Erfolg, den er mir verkauft hat, war seiner, nicht meiner. Meine Mutter war diejenige, die weise war, nur leider habe ich bis heute gebraucht, um es zu erkennen. Sie hat gewusst, dass man wahres Glück nur bei den Menschen finden kann, die zu einem gehören. Du und unser Baby – ihr bedeutet die Welt für mich, und ihr werdet für mich immer an erster Stelle stehen, das schwöre ich.“
Zur Bekräftigung seiner Worte legte er Jenny die Hand in den Nacken und küsste sie lange und innig. Als sie ihre Lippen wieder voneinander lösten, brandete begeisterter Applaus auf. Jennys Wangen glühten vor Verlegenheit und Freude, als sie sah, dass mindestens fünfzig Leute aufgestanden waren, um ihnen mit stehenden
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