Julia Extra Band 0339
Jahr wollte Wellhaven die Welt nun mit seinem zweiten Werk, dem Weihnachtsengel, beglücken.
Und das ausgerechnet hier – in Canterbury, Connecticut!
Die Tatsache, dass der Background-Chor mit ortsansässigen Kindern – genau gesagt, mit Morgans Erstklässlern – besetzt werden sollte, hatte die ganze Stadt in einen Zustand ekstatischer Aufregung versetzt. Die arme Cecilia jedoch, die als Einzige noch keinen unterschriebenen Erlaubnisschein vorlegen konnte, wurde von ihren Mitschülern mittlerweile als das personifizierte Böse betrachtet.
„Wenn ich nicht mit ihm rede, wird Cecilia weiter leiden müssen, und das kann ich nicht zulassen“, erklärte Morgan entschieden.
Mary Beth schüttelte langsam den Kopf. „Lass sie einfach in der Aula sitzen.“
„Es geht nicht nur um den Erlaubnisschein. Ich muss auch noch einige andere Probleme ansprechen.“
„Na schön, dann tu eben, was du nicht lassen kannst.“ Mit einem beinah mitleidigen Lächeln tätschelte Mary Beth ihrer jungen Kollegin die Hand. „Aber sag hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“
Trockenes Laub knirschte unter Morgans Füßen, als sie das von einer Baumgruppe umstandene Haus erreichte. Man konnte sehen, dass es einmal sehr geliebt worden war, aber inzwischen wirkte es leicht vernachlässigt. Die Blumenbeete waren mit Unkraut überwuchert, und die indigoblaue Farbe, die einmal einen hübschen Kontrast zu den weiß getünchten Wänden abgegeben haben musste, blätterte von Türrahmen und Fensterläden.
Obwohl die Dämmerung bereits eingesetzt hatte, brannte im Haus kein Licht, was Morgan nicht weiter überraschte. Sie wusste, dass Cecilia noch in der Schule war und am Nachmittagsprogramm teilnahm. Unbeirrt folgte sie weiter der Auffahrt, bis sie vor einem massiven alten Steingebäude mit der Aufschrift Hathoways Schmiede stand.
An der Eingangstür klebte ein Schild mit der wenig ermutigenden Aufforderung „ Draußen bleiben!“, aber Morgan war nicht den ganzen Weg hier hergelaufen, um sich davon abschrecken zu lassen. Sie straffte die Schultern, atmete mehrmals tief durch und klopfte.
Nichts passierte.
Fest entschlossen, sich nicht länger von diesem Mann ignorieren zu lassen, klopfte sie wieder. Dieses Mal so laut, dass es selbst ein Schwerhöriger mitbekommen hätte. Als erneut eine Reaktion ausblieb, drückte sie energisch den Türgriff herunter und trat ein.
Nachdem sie mit einer Art düsterer, verrauchter Vorhölle gerechnet hatte, brauchte Morgan einen Moment, um sich von ihrer Überraschung zu erholen. Durch die großen, in etwa zwei Meter Höhe angesetzten Fenster fiel das letzte Tageslicht ins Innere des riesigen, gewölbeartigen Raums, der noch zusätzlich von starken Beleuchtungskörpern erhellt wurde. Links und rechts neben der Tür standen ausrangierte Whiskyfässer voller Schürhaken und Kohleschaufeln, und überall befanden sich Regale, die mit einem ganzen Arsenal verschiedenster Haltevorrichtungen und Gefäße bestückt waren.
Seit ihrer Ankunft in Canterbury hatte Morgan immer wieder gehört, dass Nate Hathoway als einer der besten Kunstschmiede des Landes galt. Dass dies jedoch nicht das einzig Bemerkenswerte an ihm war, wurde ihr augenblicklich klar, als sie die breitschultrige Gestalt vor der riesigen Feuerstelle stehen sah.
Schon seine Rückseite raubte ihr den Atem.
Tiefbraunes Haar, dicht und glänzend, streifte den Nackenhalter seiner Lederschürze. Die hochgekrempelten Ärmel seines Hemdes entblößten seine muskulösen Oberarme, und unter der verwaschenen Jeans zeichnete sich der knackigste Po ab, den Morgan je zu Gesicht bekommen hatte.
Es war, als würde mit einem Schlag alle Luft aus ihren Lungen gesogen. Einen Moment lang erwog sie, sich klammheimlich davonzuschleichen, bevor er sich zu ihr umdrehte, doch dann rief sie sich in Erinnerung, dass sie im Interesse eines sechsjährigen Mädchens hier war, das ihr Eingreifen bitter nötig hatte.
Im Übrigen hatte sie die Nase gestrichen voll von attraktiven Männern.
Bis vor drei Monaten war Morgan mit einem von ihnen verlobt gewesen, und es tat immer noch weh, daran zu denken. Zuerst war Karl nur amüsiert gewesen, dass sie die schlecht bezahlte Lehrerinnenstelle in einem Kaff wie Canterbury überhaupt in Erwägung gezogen hatte. Als ihm jedoch klar wurde, dass seine Zukünftige tatsächlich die Dreistigkeit besaß, an ihre eigene berufliche Entwicklung zu denken, anstatt seine ungleich bedeutendere Karriere an die erste Stelle zu setzen,
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