Julia Extra Band 0339
Wasserbehälter. Es zischte und dampfte wie in einem Hexenkessel, als er seine ungebetene Besucherin erneut mit einem abschätzigen Blick fixierte.
Unwillkürlich fühlte Morgan sich an einen Wegelagerer erinnert. Vielleicht auch an einen Piraten oder einen anderen Gesetzlosen. Jedenfalls sah Nate Hathoway nicht aus wie der Vater eines sensiblen sechsjährigen Mädchens.
Sie holte tief Luft und besann sich auf die Aufgabe, die sie hierhergeführt hatte. „ Miss McGuire, um genau zu sein“, korrigierte sie ihn. „In den ersten zwei Wochen habe ich es den Kindern immer wieder gesagt, aber es ist einfach nicht zu ihnen durchgedrungen, sodass ich es schließlich aufgegeben habe. Wahrscheinlich liegt es daran, dass in den Augen von Sechsjährigen jede Frau über einundzwanzig automatisch eine Mrs ist. Besonders wenn es sich dabei um eine Lehrerin handelt …“
Morgan verstummte verlegen, als ihr bewusst wurde, was für einen Unsinn sie redete. Außerdem hörte sie sich an, als wollte sie unbedingt darauf hinweisen, dass sie unverheiratet war.
Was definitiv nicht in ihrer Absicht lag – Amelia möge ihr vergeben!
„Dann eben Miss McGuire.“ Seine Miene ließ nicht das geringste Interesse an ihrem Familienstand erkennen. Mit unverhohlener Ungeduld verschränkte er die muskulösen Arme vor seiner breiten Brust und wartete darauf, dass sie endlich zur Sache kam.
„Morgan“, berichtigte sie ihn erneut.
Sie versuchte sich einzureden, dass ihr Angebot, sie beim Vornamen zu nennen, lediglich Mittel zum Zweck war. Dass sie nur versuchte, einen Draht zu Cecilias unzugänglichem Vater zu finden, um ihre Mission zu einem erfolgreichen Ende zu bringen.
„Zunächst möchte ich Ihnen sagen, dass ich Cecilia für ein Kind halte, das sehr geliebt wird.“ Es klang irgendwie einstudiert, was vermutlich daran lag, dass sie diesen Satz mindestens ein Dutzend Mal geprobt hatte. Jetzt wünschte sie, sie hätte einen Satz ohne das Wort „Liebe“ geprobt.
Nate Hathoway erwiderte nichts, aber das gefährliche Glitzern, das bei ihren Worten in seine Augen trat, sprach Bände. Ganz offensichtlich hatte ihr Plan, ihn mit dieser Einleitung in eine weichere Stimmung zu versetzen, nicht funktioniert.
„Cecilia besitzt das Selbstvertrauen und die Lebendigkeit eines Kindes, das sich seines Platzes in der Welt sicher ist …“
Ursprünglich hatte Morgan an dieser Stelle einflechten wollen, dass es von Vorteil wäre, wenn Cecilia ihre Lebendigkeit weniger häufig in ihre Fäuste lenken würde. Inzwischen hielt sie es jedoch für klüger, es sein zu lassen.
„… und ich bin davon überzeugt, dass Sie Ihr Bestes geben“, versicherte sie ihm stattdessen. „Wahrscheinlich liegt das Problem nur darin, dass Ihnen die Selbstverständlichkeit fehlt, ein kleines Mädchen aufzuziehen.“
Anscheinend gehörte Nate Hathoway nicht zu den Menschen, die positiv auf konstruktive Kritik reagierten. Seine Miene wurde noch eisiger, und seine Stimme klang scharf wie ein Rasiermesser, als er sie bat, ihm das Problem etwas genauer zu erläutern.
Nur das Wissen, dass Cecilia sie brauchte, verlieh Morgan die Kraft, ihrer plötzlichen Zaghaftigkeit nicht nachzugeben. „Es hat einige Vorfälle gegeben, bei denen die anderen Kinder sich über Cecilia lustig gemacht haben“, eröffnete sie ihm ohne Umschweife.
„ Welche Kinder?“
Mit wenigen Schritten durchquerte er die Werkstatt und stand auf einmal so dicht vor ihr, dass Morgan fast das Herz stehen blieb. Er roch nach Hitze und harter Arbeit. Nach geschmolzenem Eisen und weichem Leder.
Mit anderen Worten, nach Mann!
Morgan schluckte hart, um die Zunge von ihrem trockenen Gaumen zu lösen. „Sie erwarten doch nicht von mir, dass ich Ihnen die Namen nenne?“, brachte sie mühsam hervor.
„Sagen Sie mir, wer sich über Ace lustig macht“, verlangte er in drohendem Tonfall. „Dann werde ich die Angelegenheit umgehend regeln.“
Nachdem Morgan es glücklich geschafft hatte, sich vom Anblick seiner Lippen loszureißen, blieb ihr Blick nun an einer Schweißperle hängen, die langsam über seinen perfekt geformten Bizeps rann. Das Problem mit ihrer Zunge tauchte erneut auf, aber sie war fast froh darüber. Andernfalls hätte sie sich womöglich noch ungewollt die Lippen geleckt, weil einfach jeder Zentimeter an diesem Mann gnadenlos verlockend war.
„Wir sprechen hier über Sechsjährige“, stellte sie betont sachlich fest. „Daher wüsste ich gern, auf welche Weise Sie die Angelegenheit
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