Julia Extra Band 0339
ebenso wenig zu leugnen wie die Schuldgefühle, die sie offenbar jetzt deswegen hatte.
Ob sie nur deshalb behauptete, sie wolle Teil von Rafiks Leben sein? Was würde geschehen, wenn sie irgendwann merkte, dass kleine Jungen chaotisch und ungestüm waren, dass sie Disziplin und Liebe brauchten – und Eltern, für die ihr Wohlergehen an erster Stelle stand?
Nein, das Risiko war Adan zu groß. Zu gut erinnerte er sich noch daran, wie er sich danach gesehnt hatte, von seiner Mutter geliebt zu werden. Doch die hatte er immer nur zu Gesicht bekommen, wenn er perfekt herausgeputzt gewesen war, damit sie vor ihren Freundinnen mit ihrem kleinen Sohn hatte prahlen können.
Das wollte er seinem Sohn ersparen. Für Rafik wünschte Adan sich eine Mutter, die den Kleinen von ganzem Herzen liebte und ihn nicht als Last empfinden würde. Und solch eine Mutter war Jasmin, nicht Isabella. Außerdem würde er nicht den Rest seines Lebens mit einer Frau verbringen, der er misstraute und die er verachtete.
Mit einer Frau, die er so heftig begehrte, dass er sie auf der Zunge zu schmecken glaubte …
Adan fluchte leise. Wie konnte es sein, dass er sich nicht zu Jasmin hingezogen fühlte, sondern zu Isabella? Am liebsten hätte er ihr das Kleid vom Leib gerissen und Finger und Zunge in sie gleiten lassen, bevor er tief in ihr heißes Inneres eindrang … Schon früher hatte er den Sex mit ihr sehr genossen, doch damals waren sie frisch verheiratet gewesen – und es war seine Pflicht gewesen, für einen Erben zu sorgen.
Lügner, dachte er. Es war mehr gewesen als nur das. Er hatte Isabella begehrt, und das tat er noch immer. Doch Adan war kein Mann, der sich von seinem Verlangen überwältigen und steuern ließ. Und das würde er auch jetzt nicht tun, egal, wie lange die Scheidung sich hinzog. Auf Hawaii war er einmal schwach geworden und hatte sie geküsst, doch damit war es vorbei. Von nun an würde Adan standhaft bleiben – Rafik zuliebe.
Isabella konnte sich nicht an den Palast erinnern, obwohl sie hier einmal gelebt haben musste. In die geweißten Wände aus Sandstein waren so viele Fliesen aus Gold und Porzellan eingelassen, dass das Ganze im Sonnenlicht zu leuchten schien.
Am beeindruckendsten war jedoch die Anfahrt gewesen: Springbrunnen und Statuen aus Marmor, Palmen, üppig-grüne exotische Pflanzen und ausgedehnte tiefgrüne Rasenflächen, die in einem so heißen, trockenen Land ein eindeutiges Anzeichen für unfassbaren Reichtum waren. Denn Port Jahfar lag zwar am Arabischen Meer, doch das Wasser musste erst entsalzt werden, bevor es zum Bewässern verwendet werden konnte.
Bei ihrer Ankunft vor einigen Stunden hatte man Isabella in eine Suite geführt und sie dort sich selbst überlassen. Nur einmal war sie von einem Arzt zu ihren Erinnerungen befragt worden und hatte seine Fragen wahrheitsgemäß und so gut sie konnte beantwortet.
Als Isabella danach ihr Zimmer verlassen wollte, hielt ein Diener sie davon ab, der offenbar allein zu diesem Zweck vor ihrer Tür postiert worden war. Also erkundete sie zunächst ihr Quartier und setzte sich dann ans Fenster, von wo aus sie einen schönen Blick über die Parkanlagen und bis zum Meer hatte. Sie war unruhig, voller Energie und frustriert, dass sie diese nicht für etwas nutzen konnte: Es gab keinen Computer, keine Bücher, keinen Fernseher und auch sonst nichts, womit sie sich hätte beschäftigen können – nur einen Schreibtisch, auf dem Papier lag, und einige Sitzecken mit bequemen Möbeln.
Aus purer Langeweile fing Isabella an zu singen: erst ein altes jahfarisches Lied, das sie von ihrem Vater kannte, dann die Songs, die sie in der Bar gesungen hatte. Sie öffnete sich den Melodien, die ihre Traurigkeit und ihren Schmerz hervorlockten.
Zum ersten Mal sang Isabella in dem Bewusstsein, dass sie Ehefrau und Mutter war, und nun verstand sie auch das merkwürdige Gefühl der Leere, das sie immer erfüllt hatte: Sie wollte ihr Kind in den Armen halten und konnte an nichts anderes mehr denken.
Früher hatte sie zu Kindern ein distanziertes Verhältnis gehabt und nicht gewusst, was sie zu ihnen sagen oder wie sie mit ihnen umgehen sollte. Doch das hatte sich in den vergangenen Stunden von Grund auf geändert. Nun konnte Isabella die Sehnsucht nach ihrem Sohn kaum noch ertragen. Noch immer wusste sie nicht, was sie sagen sollte, doch sie wollte es unbedingt lernen. Und genau das wollte Adan verhindern.
Wut und Verzweiflung erfassten Isabella, denn wie sollte sie sich
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