Julia Extra Band 0345
versetzte ihn schlagartig zurück in die Gegenwart. Seltsam, eben hatte er an sie gedacht, und nun tauchte sie hier auf!
Sie hatte mehrere Kilo abgenommen und wirkte wesentlich selbstbewusster. Aber es war unverkennbar Megan Armstrong.
Sogar mit verbundenen Augen hätte er sie unter Tausenden bildhübscher Engländerinnen ausgemacht.
Das Schicksal musste die Finger im Spiel haben. Eigentlich glaubte Emilio nicht an Hokuspokus, aber er konnte sich auf seinen Instinkt verlassen.
Wäre er dem jetzt gefolgt, hätte man Megan und ihn wahrscheinlich wegen Erregens öffentlichen Ärgernisses eingesperrt. Das ist es mir durchaus wert, dachte er und lächelte erwartungsvoll.
2. KAPITEL
„Aber deine Anwesenheit ist hier heute Abend unbedingt erforderlich!“
Der gekränkte Tonfall in der Stimme ihres Chefs überraschte Megan nicht gerade. Charlie Armstrong hatte es nicht zum Millionär gebracht, indem er sich durch Kleinigkeiten wie einen Fluglotsenstreik aufhalten ließ. Auch von seinem Personal verlangte er, dass es Hindernisse überwand, wenn sie dem Job im Weg standen. Das galt auch, wenn es sich bei dieser Angestellten um seine Tochter handelte.
Eigentlich sogar gerade, weil sie seine Tochter war!
„Tut mir leid, Dad.“
„Das nützt mir gar nichts.“
„Aber ich sitze hier offenbar wirklich fest.“ Im Gegensatz zu ihrem lauthals nörgelnden Vater blieb Megan ganz ruhig und gelassen. „Ich suche mir ein Hotelzimmer und nehme morgen früh den ersten Flieger“, versprach sie.
„Und wann wird das sein?“
Sie warf einen Blick auf das Zifferblatt der leicht zerkratzten Armbanduhr, die sie als Erinnerungsstück an ihre Mutter trug, die gestorben war, als Megan gerade erst zwölf Jahre alt gewesen war. „Der Streik dauert vierundzwanzig Stunden. Vor neun Uhr morgen früh tut sich hier also gar nichts.“
„Neun Uhr? Das ist ja völlig inakzeptabel!“ Charlie Armstrong schäumte vor Wut.
„Es lässt sich aber nichts daran ändern, Dad. Ich gehe nicht davon aus, dass mir plötzlich Flügel wachsen, also sitze ich hier fest. Und bevor du jetzt vorschlägst, mit Zug und Fähre nach England zu kommen, muss ich dir leider sagen, dass die alle ausgebucht sind.“
„Von Leuten mit Weitsicht.“
Megan verkniff sich die Erklärung, dass es sich um Fußballfans handelte, die ein Länderspiel besucht und die Tickets schon lange im Voraus gebucht hatten. Ihr Vater hätte das sowieso nicht als Entschuldigung akzeptiert.
Sie hörte sich seine Schimpftiraden noch einige Minuten an, sagte nur einige Male ja oder nein, je nachdem, was gerade passte, und ließ sich von der Menschenmenge Richtung Ausgang treiben.
Unter diesen Umständen ein Taxi zu ergattern, war der reinste Albtraum. Innerlich stellte Megan sich schon mal auf eine endlos lange Wartezeit ein. Vielleicht sollte sie einfach direkt im Flughafengebäude übernachten.
„Bilde dir ja nicht ein, du könntest dich auf meine Kosten in einem Nobelhotel einmieten, nur weil du meine Tochter bist“, wütete ihr Vater gerade. „Ich erwarte von dir ebenso viel Einsatz wie von allen anderen Angestellten auch.“
Diese Litanei hatte Megan schon unzählige Male über sich ergehen lassen und hörte deshalb gar nicht mehr zu. Stattdessen ließ sie den Blick über die wogende Menschenmenge schweifen.
Ihr stockte der Atem, als sie völlig unvermutet ein ihr bekanntes Gesicht entdeckte. „Oh, mein Gott!“, stieß sie atemlos hervor und presste sich eine Hand aufs heftig klopfende Herz.
„Megan? Was hast du? Was ist passiert?“
Sie kniff ganz fest die Augen zu, aber als Megan sie vorsichtig wieder öffnete, sah sie das Gesicht noch immer vor sich, dessen Anblick sie so aus der Fassung gebracht hatte.
Es war ein Gesicht, das man nicht so leicht vergaß.
Megan atmete tief durch und warf dem jungen Mann, der fast über sie gestolpert wäre, als sie so abrupt stehen geblieben war, einen entschuldigenden Blick zu. „Bitte verzeihen Sie vielmals.“
„Nichts passiert.“ Der Rucksacktourist hatte seine Verärgerung angesichts dieses zerknirschten Lächelns schnell vergessen. Höflich fragte er das schlanke Mädchen mit dem seidig schimmernden braunen Haar und dem bezaubernden herzförmigen Gesicht: „Kann ich Ihnen mit dem Gepäck helfen?“
Megan, die schon weiter geschoben worden war, überhörte das Angebot und blickte sich suchend nach dem hochgewachsenen Mann um, dessen Anblick ihr den Atem geraubt hatte.
Er war verschwunden!
Hatte sie sich das alles
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