Julia Extra Band 0347
meine eigene Praxis eröffnen. Und mich weiter spezialisieren.“
Es fiel so leicht, ihm alles zu erzählen. Wie sie anderen Frauen helfen wollte mit den Massagen und Ölen, die ihr geholfen hatten, als nichts mehr Wirkung zeigte. Und anders als die meisten machte er sich nicht über sie lustig, wahrscheinlich, weil er, auch wenn er sie nicht mochte, aus der Wüste stammte und die Menschen hier mehr von alternativen Heilmitteln verstanden.
So wie er ihr Dinge erzählte, von denen er gedacht hatte, dass er sie anderen gegenüber niemals zugeben würde. Zum Beispiel der Grund, warum er die Wüste nicht mochte.
„Sie hat mir den Bruder genommen.“ Seinen Bruder Ahmed hatte die Vorstellung, König zu werden, derart überfordert, dass er eine Antwort auf seine Ängste in der Wüste gesucht hatte. Aber er war nie wieder zurückgekehrt.
„Felicity hat mir davon erzählt.“ Georgie schluckte. „Es tut mir leid um den schmerzhaften Verlust.“
Ja, es war ein enormer Verlust. Ibrahim schloss die Augen, doch die Wüste war noch immer da, und der Wind fegte noch immer den Sand über die Dünen. „Sie hat auch meine Mutter genommen.“
„Ich dachte, deine Mutter sei nach London gegangen.“
Ibrahim schüttelte den Kopf. „Aber sie befolgte die Wüstenregeln.“ Er schaute auf das karge Land hinaus, das er so verabscheute, und konnte kaum fassen, was er hier preisgab. Diese Gedanken hätten niemals ausgesprochen werden sollen.
Er nahm sich zusammen, wollte sich förmlich verabschieden, doch ihre blauen Augen schauten ihn erwartungsvoll an, und Ibrahim stellte fest, dass er weiterreden wollte.
„An dem einen Tag war sie noch hier, und wir waren eine Familie, am nächsten war sie weg und durfte nie mehr zurückkommen. Ihr Sohn heiratet heute, aber sie sitzt in London.“
„Es muss schrecklich für sie sein.“
„Noch schlimmer war es für sie, nicht an Ahmeds Beerdigung teilnehmen zu können. Zumindest sagte sie mir das, als ich sie am Nachmittag anrief.“ Es war ein anstrengendes Telefonat gewesen, aber Ibrahim hatte durchgehalten und zugehört. Hatte sich alles angehört.
„Das tut mir ehrlich leid.“
Georgie hätte sagen sollen, dass sie verstand und wusste, wie er sich fühlte. Dann hätte er sie ironisch abkanzeln können. Womit er nicht gerechnet hatte, war die sanfte Hand, die sich flüchtig an seine Wange legte. So verblüfft er war, er hätte diese Hand am liebsten dort festgehalten und seine Wange für eine Weile hineingeschmiegt.
Nur ihr Psychiater konnte wissen, welch immense Bedeutung diese Geste für Georgie hatte. Zum ersten Mal hatte sie bei einem Mann impulsiv gehandelt. Die leichte Brise trug die Wärme der Wüste heran, hüllte sie ein, und sie wollte ewig hier stehen bleiben.
„Du solltest jetzt gehen“, sagte Ibrahim, denn Karim hatte ihn vor dieser Frau gewarnt. Hatte ihn ermahnt, sich an Zaraqs Gebräuche zu halten, solange er hier war.
Und Georgie tat, was er verlangte. Sie drehte sich um und ging, während er weiter auf die Wüste hinausstarrte. Ihre Fingerspitzen brannten noch immer, ihre Gedanken wirbelten von der flüchtigen Berührung, die sie gewagt hatte …
„Sagtest du nicht, sie wären alle so steif?“ Abbys Stimme holte Georgie aus den Erinnerungen zurück, die sie so unbedingt vergessen wollte. „Danach sah er mir aber nicht aus.“
„Hier gelten andere Regeln“, antwortete Georgie. Sie hatte keine Lust auf Champagner und hatte auch keine Lust, mit dem Mann zu tanzen, der sie jetzt aufforderte. Aber es war Abbys Abend, und Georgie würde die Freundin nicht merken lassen, dass sie mit den Gedanken meilenweit weg war.
Nur schien es, dass Abby mehr an Ibrahim interessiert war als an dem Treiben im Nachtklub, denn wenig später brachte sie das Thema schon wieder auf.
„Du fliegst nächste Woche hin, oder? Ist er dann auch da?“
Georgie schüttelte den Kopf. „Er kommt nur selten. Er war zur Hochzeit da und zu Azizahs Geburt. Und er ist gerade erst zurückgekommen. In ein paar Wochen wird er zur Geburt des künftigen Thronfolgers hinfliegen. Das reicht ihm dann wohl. Bis dahin bin ich längst wieder abgereist.“ Sie nahm einen Schluck Champagner. „Komm, lass uns tanzen.“
Sie tanzten und feierten bis vier Uhr in der Früh. Auch wenn Georgie lieber allein zu Hause gewesen wäre.
Um an den Kuss denken zu können. Um an ihn denken zu können.
Nie wäre es ihr in den Sinn gekommen, dass es Ibrahim ähnlich ergehen könnte.
2. KAPITEL
Georgie hatte ihn
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