Julia Extra Band 0350
Leben also nicht sein.“
„Heißt es nicht, dass sich Glück nicht mit Geld erkaufen lässt?“
„Irgendetwas in Ihrem Leben muss doch gut gelaufen sein. Fällt Ihnen denn gar nichts Positives ein?“
Er lachte. „Sie sind wirklich eine unverbesserliche Optimistin und sehen in allem etwas Gutes.“
Sie verzog das Gesicht. „Das klingt irgendwie kitschig. Aber ich stehe dazu. Es ist nicht meine Art, immer nur schwarzzusehen und alles schlecht zu machen. Was gewinnt man damit?“
Sergej sah sie nachdenklich an. „Zumindest verhindert es, dass man enttäuscht wird.“
„Und es verhindert auch, dass man richtig lebt“, entgegnete sie sofort. Darum war es ihr auch bei dieser Reise gegangen: endlich einmal das Leben richtig zu genießen, nachdem sie sechs Jahre lang erst ihren Vater und dann ihre Mutter gepflegt und sich gleichzeitig um den kleinen Laden gekümmert hatte. Sie blickte Sergej herausfordernd an. „Nennen Sie mir eine richtig gute Sache, die Ihnen passiert ist. Oder, noch besser, einen wirklich guten Menschen, den Sie gekannt haben. Einen Freund oder einen Verwandten. Jemanden, über den Sie nie zynische Bemerkungen machen würden.“
„Warum?“
Sie seufzte ungeduldig. „Weil ich es sage. Weil ich Ihnen zeigen will, dass es manche Dinge, manche Menschen gibt, die uneingeschränkt gut sind.“
Er beugte sich vor und blickte ihr intensiv in die Augen. „Ich könnte einfach lügen.“
„Wo wäre da der Spaß?“
„Haben wir denn Spaß?“, fragte er vielsagend.
„Etwa nicht?“, erwiderte sie kess.
Sie bemerkte das Aufblitzen in seinen Augen, und ihr Herz schlug schneller. Es war aufregend, hier zu sitzen und sich mit diesem wundervollen Mann zu messen. Das war das richtige Leben, und es weckte den Wunsch nach mehr.
„Alyona“, sagte er so unvermittelt, dass Hannah einen Moment brauchte, um seinem Gedankengang zu folgen. „Sie war der eine gute Mensch, den ich kannte.“
Und die Art, wie er es sagte, ließ Hannah vermuten, dass es diese Alyona – wer immer sie auch sein mochte – nicht mehr in seinem Leben gab.
Hannah lehnte sich zurück. Das überschwängliche, berauschende Gefühl verpuffte. „Sehen Sie, es gibt also doch jemand wirklich Guten in Ihrem Leben. Erzählen Sie mir von ihr.“
„Nein.“
Seltsam, dass seine Ablehnung sie so kränkte, wo sie doch wirklich kein Recht hatte, in seine Geheimnisse zu dringen. „Nun, wenigstens gibt es einen solchen Menschen für Sie.“
„Gab.“
Seine abweisende Miene verbot ihr, weitere Fragen zu stellen, obwohl sie natürlich neugierig war, wer diese Alyona gewesen sein mochte. Freundin? Ehefrau? Hatte Sergej sie geliebt? War sie der Grund, warum er so verschlossen, so zynisch geworden war? Verbarg sich dahinter ein gebrochenes Herz? Oder hatte sie einfach nur zu viele Seifenopern gesehen?
„Warum begegnen Sie den Menschen mit so viel Misstrauen?“, kam sie auf ihre ursprüngliche Frage zurück. „Warum trauen Sie niemandem?“
„Wie ich schon sagte, die Erfahrung hat es mich gelehrt. Die meisten Menschen haben einen Grund für ihr Handeln, und gewöhnlich ist es kein sehr netter.“ Er lächelte sie an. „Sie vielleicht ausgenommen.“
„Ich?“
„Ja, ich glaube, ich bin noch niemandem begegnet, der so erfrischend … und nervtötend … optimistisch ist wie Sie.“
„Nervtötend?“, wiederholte sie empört.
„Ja, wir Zyniker empfinden Optimismus meist als ziemlich nervtötend.“
„Vielleicht brauchen Sie einfach etwas mehr Optimismus in Ihrem Leben.“
Sergej musterte sie wieder langsam und eingehend. Wusste er eigentlich, wie sexy er war, wenn er sie so ansah … fast, als würde er sie mit seinen Blicken ausziehen? Heißes Verlangen wallte in Hannah auf. Was immer geschehen würde, sie wollte es.
Nachdenklich, forschend schaute er ihr schließlich wieder in die Augen. „Vielleicht haben Sie recht.“
4. KAPITEL
Sergej bemerkte das verheißungsvolle Aufleuchten in Hannahs Augen und bekam sofort Gewissensbisse. Allmählich war er es leid. Seit wann hatte er ein Gewissen? Bei vielem, was er getan hatte, hätte er sich gar keines leisten können. Und dennoch schien er eines zu besitzen, jedenfalls, wenn es um eine Frau wie Hannah Pearl ging.
Sie erinnerte ihn an Alyona mit ihren blitzenden Augen und dem schelmischen Lächeln, als würde sie vom Leben immer noch Gutes erwarten. Hoffnung. Sie hatte ihn sogar dazu gebracht, Alyonas Namen zu erwähnen, was er niemals tat.
Ärgerlich stand er auf und
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