Julia Extra Band 0350
entwickelt. Nur war sie nicht darauf vorbereitet gewesen, seinen warmen Atem an ihrem Nacken zu spüren. War es nur der Schreck, der ihr eine Gänsehaut über den ganzen Körper jagte? Oder war es nicht doch ein eher sinnliches Prickeln?
Manche Fragen wurden einfach besser nicht gestellt. Vor allem nicht von jemandem wie ihr und nicht im Zusammenhang mit einem Mann wie Marco.
Als ein Gast, der neben ihr mit einer anderen Gruppe im Gespräch stand, sich umdrehte, stieß er sie versehentlich an, und etwas von dem Wein aus ihrem Glas ergoss sich über ihren bloßen Arm. Lily war geradezu dankbar für das kleine Missgeschick, lenkte es doch ihre Gedanken von Marco ab.
Der Mann entschuldigte sich höchst verlegen und sagte einem vorbeigehenden Kellner Bescheid, er möge bitte schnell ein sauberes Tuch bringen, doch bevor Lily noch einwenden konnte, dass das nicht nötig sei, hatte Marco bereits ein blütenweißes Taschentuch hervorgezogen und tupfte ihren nassen Arm ab. Lilys spitze Bemerkung, das könne sie selbst, ignorierte er ebenso wie ihren Versuch, von ihm wegzutreten.
Wie hypnotisiert starrte sie seine Hand an. Es war eine schöne Hand mit langen Fingern. Starke Künstlerhände, dachte sie. Hände, in denen genug Kraft steckte, um den Widerstand einer Frau mühelos zu überwinden, falls Marco sich dazu entschließen sollte.
Ein Schauer überlief sie. Dieses Mal lief er nicht über ihre Haut, sondern fuhr tief in ihr Inneres und setzte dort einen dumpfen Puls in Gang. Mit der Darstellung sexueller Erregung war Lily durchaus vertraut, schließlich hatte sie Models die typischen Posen einnehmen sehen, seit sie denken konnte. Sie konnte sich auch noch gut daran erinnern, wie sie jedes Mal von ihrem Vater in das winzige Büro neben dem Studio geschoben worden war, wenn er „spielen“ wollte. Ihr Vater hatte zu der Sorte Fotografen gehört, die es als Bonus ansahen, mit den Models zu schlafen.
Nein, die äußeren Anzeichen von Erregung waren ihr keineswegs fremd, ob nun vorgetäuscht oder echt, ob von männlicher oder weiblicher Seite. Allerdings war ihr völlig fremd, dass sie selbst diese sexuelle Erregung empfand. Dieses Gebiet war seit Langem vergiftetes Ödland, ein Gebiet, das sie nicht betreten wollte.
Marco hatte ihren Arm endlich losgelassen. „Jetzt müssen wir wirklich gehen. Um diese Zeit dürfte auf dem Weg zum Flughafen recht viel Verkehr sein.“
„Wir fliegen zum Comer See?“ Sie hatte angenommen, sie würden mit dem Auto fahren.
„Ja, mit dem Hubschrauber. Das ist bequemer.“ Mit einem leichten Händeklatschen bat Marco um Ruhe, damit er sie beide offiziell verabschieden konnte.
„Ich habe mich schon lange auf die Gelegenheit gefreut, Sie in der Villa Ambrosia begrüßen zu können.“ Die Herzogin kam zu Lily und ergriff voller Zuneigung ihre Hände. „Und jetzt, nachdem ich Sie kennengelernt habe, freue ich mich umso mehr. Sie ist wirklich ganz bezaubernd, Marco“, wandte sie sich dann an den Prinzen. „Passen Sie gut auf sie auf.“
Lily wagte es nicht, Marco anzusehen, nachdem die Herzogin sie beide allein gelassen hatte. Ein solcher Ratschlag konnte ihm unmöglich gefallen.
Es herrschte Stoßverkehr, doch in der klimatisierten Luxuslimousine merkte man nichts von den Abgasen der Stadt. Eine Glasscheibe trennte den Wagenfond, in dem Lily und Marco saßen, vom Chauffeur. Diese Abgeschiedenheit und die weichen Lederpolster schufen eine Atmosphäre, die für Lilys Geschmack viel zu intim war.
Nicht, dass zwischen ihnen Intimität herrschen würde. Sobald der Wagen angefahren war, holte Marco sein Handy hervor. Sein knappes: „Entschuldigen Sie“, schuf sofortige Distanz.
Lily war klar, dass er Abstand wahren wollte, schließlich verachtete er sie. Genau, wie sie wusste, dass er die seltsame Spannung gespürt hatte – eine unerklärliche Anziehung, die keiner von ihnen beiden wünschte.
Als er das Gespräch beendete, drehte er sich zu ihr um. „Die Herzogin würde uns gern für zwei Tage als Gäste in ihrer Villa begrüßen. Sie fragte, ob das möglich sei. Sie haben offensichtlich großen Eindruck auf sie gemacht.“
Und das passte ihm nicht, wie sie an seinem Ton hören konnte.
„Ich habe soeben noch einmal unseren Terminkalender überprüft. Wenn Sie die Tour verlängern möchten, wäre ein kurzer Aufenthalt in der Villa möglich.“
Also war es ihm gar nicht um Distanz gegangen, sondern er hatte das Telefonat für ihr Projekt geführt. Lily musste sich eingestehen,
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