Julia Extra Band 0350
Schwester und ihre Adoptiveltern treiben. „Ich war schon vierzehn. In dem Alter wird man nur noch selten adoptiert, weil man sich nur noch schwer in eine neue Familie einfügen kann.“
„Aber wenn meine Eltern gewusst hätten, dass ich einen Bruder habe, hätten sie dich auch adoptiert. Das weiß ich.“ Sie sah ihn forschend an, als er schwieg. „Du glaubst, sie wussten es und haben sich gegen dich entschieden?“
„Hör zu, ich habe nicht versucht, dich zu finden, um darüber mit dir zu sprechen“, sagte Sergej. „Ich wollte …“
„Sie wussten es nicht.“ Allison beugte sich beschwörend vor. „Sie wussten es nicht, Serjosha, ich verspreche es dir. Sie waren völlig schockiert, als …“
„Wie hast du mich gerade genannt?“, unterbrach er sie überrascht.
„S… Serjosha.“ Sie blinzelte erstaunt, und Sergej lächelte. Er war sich sicher, dass ihr immer mehr Dinge aus ihrer Vergangenheit einfallen würden. „Ich wünschte, du würdest meinen Eltern glauben, dass sie es nicht gewusst haben. All die Jahre musst du geglaubt haben, dass man uns absichtlich getrennt hat, weil sie nur mich wollten und nicht dich.“ Sie beugte sich vor und legte ihre zarte Hand auf seine. „So war es nicht. Sie haben es nicht gewusst. Vielleicht war es die Sprachbarriere, oder im Waisenhaus wurde etwas verwechselt … Ich habe ihnen von der E-Mail erzählt, und sie waren natürlich besorgt“, fuhr Allison fort. „Sie wollten sich vergewissern, dass ich keinem Betrüger aufsitze. Aber dann hatte ich diese Erinnerungen … und es stellte sich heraus, dass du sogar ziemlich bekannt und reich bist …“ Sie lachte verlegen. „Ich meine, so waren sie zumindest beruhigt, dass du nicht hinter ihrem Geld her bist.“
„Verständlich.“
Sie lächelte ein wenig traurig. „Ich wünschte, du würdest ihnen glauben, dass sie keine Ahnung hatten. Sie waren so schockiert und auch wütend.“
Sergej blickte nachdenklich in die blauen Augen seiner neu gefundenen Schwester. Über zwanzig Jahre hatte er nur das Schlechteste von ihrer Adoptivfamilie glauben wollen. Jetzt war das anders. Hannah hatte das verändert, hatte ihn verändert. Er entschied sich für die Hoffnung. Ganz bewusst. „Vielleicht“, sagte er lächelnd, „glaube ich ihnen ja.“
Allison strahlte übers ganze Gesicht. „Sie wollen dich kennenlernen.“
„Wirklich?“, fragte er, ehrlich gerührt.
„Ja, natürlich. Denk nur, all die Jahre … wir hätten eine Familie sein können.“
Eine Familie. Etwas, das er nie hatte. Doch Sergej wollte nicht mehr in der Vergangenheit leben, sondern endlich in die Zukunft schauen. Denn jetzt hatte er ja Hannah … und vielleicht auch Allison und ihre Familie. „Ich würde sie auch gern kennenlernen“, erwiderte er aufrichtig. „Aber zuerst, wo du schon diese weite Reise gemacht hast, möchte ich alles über dich erfahren.“
Es war gut, wieder in Moskau zu sein. Hannah atmete die warme Frühlingsluft ein, als sie sich vor dem Flughafenterminal ein Taxi heranwinkte.
Sie gab dem Fahrer die Adresse von Sergejs Büro, denn es war zehn Uhr früh, und sie hoffte, ihn dort anzutreffen. Sie hatte ihn in der vergangenen Woche so sehr vermisst, war aber trotzdem froh über die Auszeit, die sie sich genommen hatte, um sich über ihre Gefühle klar zu werden. Das alles war doch so wahnsinnig schnell passiert, dass es sie völlig überwältigt hatte. Es war schwer, daran zu glauben, dass es von Dauer sein könnte.
Doch jetzt glaubte sie es und hoffte, dass Sergej es auch glaubte.
Grigori stand hinter seinem Schreibtisch auf, als Hannah den Empfangsbereich vor Sergejs Büro betrat. „Miss Pearl …“
„Wie geht es Ihnen?“, begrüßte sie ihn lächelnd. „Und Varya?“
„Sie erholt sich und lässt zu, dass ich mich um sie kümmere. Das genügt mir.“ Er lächelte ebenfalls. „Noch immer die Maus in der Schachtel, wie Sie sehen, aber ich fühle mich wohl darin. Es macht mir nichts aus.“
„Das freut mich.“ Hannah deutete auf die Türen zu Sergejs Büro. „Ist er da?“
„Ja …“
Sie zwinkerte schelmisch. „Meinen Sie, ich sollte ihn überraschen.“
Grigori lachte. „Ja.“
Hannah klopfte nur einmal kurz an die Tür, bevor sie eintrat.
„Wer …?“ Sergej blickte vom Schreibtisch auf und schaute Hannah direkt in die Augen.
Sie freute sich, ihn wiederzusehen, weil sie ihn doch sehr vermisst hatte.
Er stand auf. „Du bist zurück“, stellte er fest.
Sie nickte. „Ich sagte doch,
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