Julia Extra Band 0350
Lächeln huschte über sein Gesicht. „So ungefähr.“
„Und innerhalb von zehn Jahren gehörte dir die ganze Firma?“, riet sie.
„Innerhalb von fünf.“
„Du bist wirklich ein erstaunlicher Mann!“ Lächelnd ging sie auf ihn zu, aber er schüttelte heftig den Kopf.
„Hast du mir denn nicht zugehört? Ich habe Dinge getan, die du eigentlich gar nicht wissen willst.“
„Vermutlich, aber ich möchte auch nicht alles in allen Einzelheiten wissen.“ Sie sah ihn offen an. „Mich interessiert nur eines: Bist du heute noch in zweifelhafte Geschäfte verwickelt?“
„Nein, natürlich nicht“, sagte er sofort. „Aber du weißt jetzt, wozu ich fähig bin.“
Hannah nickte nachdenklich. „Ja, allerdings. Ich weiß, dass du es geschafft hast, von unten bis ganz nach oben zu gelangen. Ich weiß, dass du fähig bist, hart zu arbeiten, wenn alles gegen dich ist … und Erfolg zu haben, nicht nur für dich, sondern für die Menschen, die dir etwas bedeuten. Hör auf, dich immer so schlechtzumachen. Wo wären Grigori, Varya und Ivan heute ohne dich? Und wahrscheinlich sind es noch viel mehr.“ Sie ging zu ihm und blickte liebevoll zu ihm auf. „Ich bin stolz auf dich, und das hat nichts mit Mitleid zu tun. Ich bin tief beeindruckt von deiner Kraft und Energie, die dich das alles haben durchstehen lassen, damit du der Mann wirst, der du jetzt bist. Der beste Mann, den ich je kennengelernt habe.“
Sie umfasste zärtlich sein Gesicht. „Ich liebe dich, Sergej. Ich liebe den Mann, der du jetzt bist, und das schließt auch den Mann, ja, den Jungen ein, der du einmal warst, denn sie sind Teile von dir. Ich finde dich beeindruckend, stark und ziemlich wundervoll.“ Urplötzlich blinzelte sie gegen Tränen an. „Und wenn du mich jetzt küssen würdest, wäre ich sehr, sehr glücklich.“
Sergej betrachtete sie lange schweigend. Hannah wartete mit angehaltenem Atem. Hatte sie gerade ihre Seele entblößt, nur um erneut zurückgewiesen zu werden … und diesmal schlimmer denn je?
Dann endlich zeigte sich in seinem Gesicht zögernd ein Anflug von … Freude. Hoffnung. Erst lächelte er unsicher, dann nahm er sie in die Arme und küsste sie.
Und Hannah war glücklich. Sehr, sehr glücklich.
14. KAPITEL
Nach einer himmlischen Nacht voller Leidenschaft erhielten sie am Vormittag einen Anruf von Grigori aus dem Krankenhaus, der ein wenig hoffnungsvoll stimmte. Varya ging es besser und schien endlich so weit, ernsthaft Hilfe annehmen zu wollen. Grigori hatte ihr seine Liebe gestanden, und Varya wollte nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus tatsächlich zu ihm ziehen und zulassen, dass er sich um sie kümmerte. Die Zeit musste erweisen, ob sie es schaffte, nicht wieder in alte Verhaltensmuster zu verfallen und sich auf die Dauer von der Straße fernzuhalten. Hannah jedenfalls wünschte es Varya und Grigori von ganzem Herzen.
Sie aßen in einem kleinen Restaurant unweit des Roten Platzes zu Mittag, von wo aus Hannah die Türme der Basiliuskathedrale sehen konnte. Unwillkürlich fragte sie sich, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, wenn sie damals nicht von den jungen Taschendieben bestohlen worden wäre. Wenn Sergej sich nicht eingemischt hätte.
Wahrscheinlich wäre sie jetzt immer noch in Hadley Springs, würde sich mit dem kleinen Laden abmühen und versuchen, sich nicht einzugestehen, wie unglücklich sie war. „Ich muss nach New York zurück.“
Sergej horchte auf. „Wann?“, fragte er vorsichtig.
„Bald. Spätestens nächste Woche. Ich muss mich um den Laden kümmern und sehen, was aus ihm wird.“
„Ich verstehe. Möchtest du, dass ich mitkomme?“
„Nein. Ich muss diese Sache alleine machen.“
„Ich verstehe“, wiederholte er.
„Vermutlich brauche ich nur eine Woche.“
Sergej nickte. „Und dann kommst du zurück.“
Hannah hatte das seltsame Gefühl, dass er das sowohl zu sich selbst als auch zu ihr sagte. „Ja, ich komme zurück“, versicherte sie.
Es war ein unwirkliches Gefühl, wieder in Hadley Springs zu sein. Sie brachte nur ihr weniges Gepäck in ihr altes Elternhaus, dann ging sie gleich in den Laden. Das Schaufenster war einladend dekoriert und wirkte ungewohnt freundlich und hell.
„Hannah!“ Lisa kam hinter der Theke vor und drückte sie fest.
„Hi Lisa.“ Sie schaute sich bewundernd um. „Du hast einiges verändert.“
„Du hast hoffentlich nichts dagegen …?“
„Natürlich nicht. Es sieht toll aus.“
Offensichtlich hatte Lisa immer wieder neue Ideen.
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