Julia Extra Band 0350
dann passiert mir garantiert irgendein Missgeschick (ich stoße eine Blumenvase um, stolpere auf der Treppe, bleibe an einer Teppichkante hängen o. Ä.).
Aber mit Felicity (sie hat mir streng verboten, sie Mrs Knight zu nennen) war es ganz anders. Sie hat mir völlig mühelos jede Befangenheit genommen und es sogar geschafft, dass ich mich beinah wie eine Lady fühlte (jedenfalls habe ich nichts zerbrochen und bin nicht ein Mal gestolpert).
Nachdem wir uns mit Scones mit Marmelade und Clotted Cream, Gurkensandwiches und hauchzartem Gebäck vollgestopft hatten – sehr damenhaft, selbstverständlich –, sind wir spazieren gegangen und haben dabei endlos geredet.
Kommt Ihnen das bekannt vor, Patrick? Ich meine, Ihre Mutter bringt einen irgendwie dazu, wirklich alles auszupacken? Ich habe ihr sogar erzählt, dass mein Vater in London zur Welt gekommen ist, und das hat mich selbst am meisten überrascht, da ich so gut wie nie an ihn denke. Ich war erst achtzehn Monate alt, als ich meine Eltern verlor, und kann mich kaum noch an sie erinnern. Die wichtigste Bezugsperson in meinem Leben war meine Großmutter, doch vor einem knappen Jahr ist sie leider ebenfalls gestorben.
Aber zurück zu Ihrer Familie, Patrick. Als ich erfuhr, dass Ihr Vater jetzt irgendwo in Schottland lebt und Sie ihn nur selten sehen, konnte ich es nicht fassen. Welcher Mann, der auch nur halbwegs bei klarem Verstand ist, würde sich von einer Frau wie Felicity trennen? Aber zum Glück ist ja dann Jonathan aufgetaucht (ja, Ihre Mutter hat auch ihren neuen Partner erwähnt J ).
Wir unterhielten uns eine Weile über das Thema Familie im Allgemeinen, und dabei wurde mir klar, wie wichtig es für mich ist, den genauen Geburtsort meines Vaters herauszufinden. Möglicherweise kann ich ja etwas über ihn in Erfahrung bringen, selbst wenn es noch so wenig ist. Also habe ich diesen Punkt meiner Londoner To-do-Liste hinzugefügt.
Ach übrigens, Patrick: Mein Traumdate mit dem britischen Gentleman gehört zu den wenigen Dingen, die ich Felicity nicht anvertraut habe (ein paar Geheimnisse muss eine Frau schließlich haben). Mit Ihnen ist das anders. Ihnen kann ich so etwas erzählen, weil sie sich sichere 12.000 Meilen von mir entfernt befinden. Stellen Sie sich also darauf ein, auch weiterhin als mein Beichtvater herhalten zu müssen.
Natürlich hat Felicity mir auch eine Menge über Sie erzählt, aber da Ihnen nichts davon neu sein dürfte, werde ich es hier nicht wiederholen (zumal es nur Ihr Ego streicheln würde). Ihre Mutter betet Sie an, doch das wissen Sie zweifellos ebenfalls. Und sie ist unglaublich stolz, dass Sie jetzt sogar einen Roman schreiben.
Originalzitat Felicity Knight: „Das Buch wird bestimmt ein großer Erfolg werden. Der Junge hat ja schon in der Schule so schrecklich kluge Aufsätze geschrieben.“ J
Der Nachmittag verging wie im Fluge, und irgendwann verkündete Felicity wie nebenbei, dass sie sich allmählich auf den Weg zur U-Bahn machen müsse.
SCHOCK!
Die ganze Zeit über hatte ich mich in einem falschen Gefühl der Sicherheit gewiegt und dabei völlig den wahren Grund ihres Besuches vergessen. Außerdem hatte ich automatisch angenommen, dass eine so kultivierte Frau wie Felicity entweder mit dem eigenen Wagen fährt oder sich ein Taxi nimmt. Letzteres sagte ich ihr auch, was sie ziemlich zu amüsieren schien. Sie versicherte mir, dass die U-Bahn schnell, sicher und bequem sei, und ehe ich wusste, wie mir geschah, waren wir auch schon am Sloane Square.
Was soll ich sagen? Nachdem ich nun einmal da war, schien es mir ein Gebot der Höflichkeit zu sein, sie auch bis zum Bahnsteig zu begleiten, was wiederum bedeutete, dass ich mich mitten in den riesigen, schwarzen Schlund der Underground hineinbegeben musste!
Offen gestanden war es ein ziemlich heikler Moment.
Während wir mit der Rolltreppe nach unten fuhren, spürte ich die ersten Anzeichen einer Panikattacke. Ich war sicher, dass mir jeden Moment die Luft wegbleiben würde, aber Felicity lächelte und plauderte die ganze Zeit über und vermittelte mir ein so wunderbares Gefühl der Sicherheit, dass ich mich nach und nach entspannte und nach einer Weile wieder völlig normal atmen konnte.
Als wir dann endlich auf dem Bahnsteig standen, fühlte ich mich viel besser, als ich erwartet hatte. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass da unten alles so weitläufig und solide gebaut ist. Und vor allem so gut beleuchtet! Ich gestand Felicity, dass mir für einen Moment ein
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