Julia Extra Band 0354
Unsere Diskussion könnten wir dann heute Abend bei einem gemeinsamen Essen fortsetzen.“
Sie hörte, wie er tief durchatmete. Wahrscheinlich ärgerte er sich über sie und musste sich erst beruhigen.
„Gut, ich bestelle uns für acht Uhr einen Tisch.“ Er machte eine kleine Pause. „Bis dahin wirst du dich ja erholt haben.“
Sie stellte sich vor, wie er bei diesen Worten genervt zur Decke blickte. Entwickelte sie etwa einen Minderwertigkeitskomplex, weil sie ihm gesellschaftlich nicht gleichgestellt war? Dafür gab es nun wirklich keinen Grund. Dank Isobels Verfügungen brauchte sie sich von Oscar nicht nötigen zu lassen. Für mindestens ein Jahr galt ihr Wort so viel wie seins.
„Bestimmt“, antwortete sie freundlich. „Also dann bis acht.“
Ärgerlich steckte Oscar sein Handy wieder ein. Der Morgen war nicht nach Plan verlaufen. Um diese Zeit hätten Helena und er sich schon längst einig sein sollen. Wäre es nach ihm gegangen, hätte Helena gerade eine Liste der Dinge zusammengestellt, die sie behalten wollte. Denn dass sie etwas für sich behalten sollte, fand er nur fair und richtig.
Er hätte diese Dinge dann packen und zu ihr bringen lassen können. Anschließend hätte er einen Schätzer beauftragt, die Gesamtsumme der Erbschaft zu ermitteln. Die Hälfte davon hätte er ihr dann sofort ausgezahlt und den Verkauf des Hauses samt Inventar durch John Mayhew regeln lassen.
Doch die Rechnung war nicht aufgegangen. Helena wollte nichts außer den beiden Porzellanfiguren, und alles andere sollte dort bleiben, wo es war. Mit anderen Worten, Helena hatte es sich in den Kopf gesetzt, Isobels Wünsche buchstabengetreu zu befolgen und den Verkauf zwölf Monate hinauszuzögern.
Helena trank gerade eine Tasse Tee und las, als ihr Telefon klingelte. Simon Harcourt meldete sich und erklärte ihr umständlich, weshalb er sie am Wochenende störte.
„Spar dir deine Worte, Simon, ich begleite dich unter keinen Umständen zu der Konferenz“, unterbrach Helena seinen Redeschwall. „Ich werde der Firma auch nicht mehr lange zur Verfügung stehen, da ich Montag kündige. Ich habe ein Haus auf dem Land geerbt, um das ich mich kümmern muss, was mir von London aus leider nicht möglich ist.“
Erleichtert atmete Helena auf. Damit war das Kapitel Simon abgeschlossen. Würde sich ihr Verhältnis zu Oscar auf ebenso elegante Weise regeln lassen? Sie würde es bald erfahren.
Einige Stunden später schlüpfte sie in ein auberginefarbenes Kleid, das sie in letzter Sekunde noch eingepackt hatte. Es war knielang, hatte dreiviertellange Ärmel und wirkte zurückhaltend und elegant zugleich. Wie immer, wenn sie dieses Lieblingsstück trug, steckte sie ihr Haar hoch, weil das ihrer Meinung nach am besten zu dem klassischen Ausschnitt passte. Funkelnde Ohrringe aus geschliffenen Kristallen und ein dezentes Make-up vervollständigten ihr Outfit.
Die altertümliche Standuhr im Foyer schlug acht, als Helena den Fuß auf die Treppe setzte. Oscar und der Hotelier Adam standen an der Bar und unterhielten sich. Wie auf Kommando hoben beide Männer die Köpfe und blickten ihr bewundernd entgegen. Wider Willen erfreut bemerkte sie, dass Oscar den Mund kaum zubekam.
Sie schritt lächelnd die Stufen hinunter, ließ Oscar dabei jedoch nicht aus den Augen. Er trug helle Chinos, ein lässiges Designerjackett und ein weißes Hemd ohne Krawatte. Sein Haar war offensichtlich frisch gewaschen und sein Kinn glatt rasiert. Er schien direkt einem Werbefoto entstiegen zu sein.
Adam zog zwei Speisekarten unter dem Tresen hervor und führte seine Gäste zu einem kleinen Tisch in der äußersten Ecke des Restaurants. Er öffnete eine Flasche Jahrgangschampagner, die bereits in einem silbernen Kübel auf Eis lag, und schenkte ein. Nachdem er den beiden den fangfrischen Meeresfisch empfohlen hatte, zog er sich zurück.
Oscar blickte ihm hinterher. „Adam ist wirklich ein Wirt, wie man sich ihn nur wünschen kann. Ich bin ausgesprochen gern hier und hoffe, auch deinen Geschmack getroffen zu haben.“ Er hob sein Glas.
Helena prostete ihm zu und genoss den ersten Schluck des trockenen und angenehm prickelnden Getränks. „Feiern wir etwas?“ Fragend sah sie ihn an.
„Wenn du so willst, ja. Man erbt schließlich nicht alle Tage ein Vermögen. Du magst doch Champagner, oder?“
„Sehr gern sogar, obwohl ich bisher nur zweimal auf Hochzeiten ein Glas davon getrunken habe. Für mich ist es ein ganz besonderes Getränk … Vielen Dank,
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