Julia Extra Band 348
gibt. Ich muss um vier los. Steven und Fournier sind bis fünf hier.“
„Bis fünf?“ Um diese Zeit gingen die beiden sonst auch. Sie waren zwei der Grafiker, die in Vollzeit arbeiteten.
„Sie haben familiäre Verpflichtungen.“
„Das heißt, nur ich und …“ Sie sah zum Tisch gegenüber und blickte in das teigige Gesicht des Mannes, der ihr die letzte Vollzeitstelle weggeschnappt hatte. „Gallagher.“
„Ihr werdet das schon hinkriegen. Ihr seid beide sehr fleißig.“
Mit dem Unterschied, dass Gallagher als Vollzeitkraft mehr Vergünstigungen und bezahlten Urlaub bekam.
„Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn ich Sie nicht hätte, McDaniels.“
„Geben Sie mir eine Vollzeitstelle, und Sie finden es vielleicht nie heraus.“
Diese Worte hatte sie innerlich schon so oft gesagt, dass sie einen Moment brauchte, um zu begreifen, dass sie den Satz tatsächlich ausgesprochen hatte. Und anstatt sich zu schämen oder unsicher zu werden, fühlte sie sich plötzlich stark.
„Ein Superwitz, McDaniels.“ Er lachte so sehr, dass seine Wangen bebten.
Nun musste sie sich entscheiden. Entweder sie fiel in sein Lachen ein und tat so, als sei ihre Bemerkung keine Drohung, sondern ein Witz gewesen. Oder sie blieb hart.
„Ich meine das ernst. Ständig versprechen Sie mir eine Vollzeitstelle und sagen, dass ich sie verdient hätte.“
„Das haben Sie auch. Aber momentan gibt es diese Stelle nicht. Ich will mich vergrößern, aber jetzt, bei der wirtschaftlichen Situation …“ Er zuckte mit den Schultern. „Sie wissen ja, wie es ist.“
Was sie wusste, war, dass sie sich nicht länger damit abfinden wollte. „Aber ich habe gehört, dass demnächst eine neue Vollzeitstelle entsteht.“
„Ich weiß nicht, wo diese irrwitzigen Gerüchte immer herkommen.“
Ihr fielen Simons Worte wieder ein. „Ich glaube, ich weiß es.“
„So? Woher denn?“
„Egal.“ Sie stand auf. „Ich muss jetzt gehen.“
Er blinzelte. „Das geht nicht … sie müssen hierbleiben!“
Am Tisch gegenüber nahm Gallaghers Gesicht eine scheußliche grüne Färbung an, gegen die Chloes Tomatenteint fast schon hübsch war.
„Ich bin nur eine Teilzeitkraft. Ich habe meine Wochenarbeitszeit bereits abgeleistet.“
„Na gut. Ich bezahle für die Überstunden.“
Sein Angebot zeigte, dass sie triumphieren konnte. Sonderbarerweise reichte ihr das jetzt nicht mehr. „Nein.“
Sie bückte sich, um den Computer auszuschalten, und griff nach ihrer Tasche.
„Ich zahle Ihnen ab sofort einen Dollar mehr pro Stunde.“
Noch ein Sieg. Doch auch das reichte nicht. „Vielen Dank. Aber die Antwort ist nein.“
„Sie können nicht einfach gehen.“ Er räusperte sich und nahm einen strengen Tonfall an. „Wenn Sie jetzt gehen, feuere ich Sie.“
„Das ist nicht nötig.“
„Ich bin froh, dass Sie so einsichtig sind.“
Sein zufriedenes Lächeln machte es Chloe nur noch einfacher, es ihm zu sagen. „Ich kündige.“
12. KAPITEL
Die mit den größten Erfolgschancen
Es gab nicht viel, das Chloe hätte mitnehmen können, also dauerte es nicht lange, den Schreibtisch aufzuräumen. Eine Kiste überflüssiges Zeug, ein halb verwelkter Efeu, die Rosen, die Simon geschickt hatte, und sie konnte gehen. Schimpfend folgte ihr Mr Thompson nach unten zur Eingangstür.
„Das werden Sie bereuen.“
„Kann sein. Aber ich glaube, noch mehr würde ich es bereuen, zu bleiben.“
Es war ein filmreifer Abgang. Chloe hätte schwören können, dass eine Musik im Hintergrund spielte, während sie sich umdrehte und hocherhobenen Hauptes davonstolzierte. Als sie die Subwaystation erreichte, rückte die Realität langsam wieder zurück in ihren Blickwinkel. So sehr Chloe vor ein paar Minuten danach gewesen war, die Fäuste in die Luft zu strecken wie Rocky Balboa, so sehr war ihr jetzt danach, sich zusammenzurollen und am Daumen zu nuckeln.
Was habe ich nur getan?
Sie zog ihr Handy hervor. Zuerst überlegte sie, Simon anzurufen, doch sie entschied sich anders und wählte Frannies Nummer. Noch bevor ihre Schwester anfing, ihr einen Vortrag zu halten, wusste Chloe, dass es ein Fehler gewesen war, sie anzurufen.
„Das hast du nicht getan!“ Das sagte Frannie nicht mit bewundernd-ungläubigem Unterton, sondern eher, als frage sie: „Bist du verrückt geworden?“
„Mr Thompson nutzt mich schon die ganze Zeit aus. Und ich habe das zugelassen. Bis heute. Und jetzt reicht es mir.“
„Gut. Schön. Aber morgen um die gleiche Zeit hat er ein
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