Julia Extra Band 348
hörte sie Frannie brüllen. Und dann: „Wir müssen aufhören. Ich rufe dich an, sobald Matt zurück ist. Dann erzählst du mir alles!“
Und bevor Chloe antworten konnte, legte sie auf.
Kurz nach sechs klingelte es an der Tür. Das Einzige, was Chloe erkennen konnte, als sie durch den Türspion spähte, waren Blumen. Ihr Herz machte einen Satz, doch als sie die Tür öffnete, stand da nur ein Mann von einem Lieferservice mit einem Strauß in der Hand.
Er riss die Augen auf und sagte erst einmal nichts.
Sie konnte sich denken, warum.
„Äh … sind Sie Chloe McDaniels?“
„Ja, die bin ich.“
„Die sind für Sie.“ Rasch drückte er ihr die Blumen in die Hand und machte einen Schritt zurück. „Gute Besserung.“
Immerhin hatte er nicht „Ruhe in Frieden“ gesagt, dachte sie, als sie die Tür schloss. Die weißen Rosen dufteten so toll und frisch, wie sie aussahen. Auf der Karte, die in dem Strauß steckte, standen nur drei Worte, und sie war nicht unterschrieben.
Verzeihst du mir?
Natürlich verzieh sie Simon. Sie wusste nur nicht genau, was sie ihm verzeihen sollte. Darum hatte sie ihn auch nicht angerufen. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
Als sie am nächsten Tag bei der Arbeit war, kam ein weiterer Strauß. Noch einmal zwölf langstielige weiße Rosen mit einer Karte, auf der dasselbe stand wie auf der vorherigen. Sie konnte Simon nicht länger ignorieren. Also griff sie nach dem Telefon und rief in seinem Büro an.
„Hallo. Wie geht es dir?“
„Okay.“ Wie seltsam es war, so befangen zu sein und nicht zu wissen, was sie sagen sollte!
„Ich bin froh, dass du anrufst. Ich habe mir schon Sorgen gemacht.“ Er räusperte sich. „Muss ich mir Sorgen machen?“
„Nein. Aber ich bin ein bisschen durcheinander. Was genau soll ich dir denn verzeihen?“
„Dass ich die Grenze unserer Freundschaft überschritten habe.“
„Mhm.“
„Und dass ich dich angelogen habe.“
„Womit?“
„Das war keine Lektion für’s Leben. Natürlich wollte ich, dass du endlich anfängst, dich so zu sehen, wie die anderen dich sehen, aber das war nicht der Grund dafür, dass ich dich geküsst habe.“
Sie presste den Hörer ans Ohr und wünschte, sie wäre ungestört. In ihrem Büro gab es keine Trennwände zwischen ihr und den drei anderen Grafikern. „Sondern?“, fragte sie leise.
Einen Moment lang sagte er nichts. Dann: „Können wir einfach vergessen, was passiert ist?“
Sie wusste nicht, ob sie beleidigt, verletzt, erleichtert oder wütend sein sollte. „Das ist keine Antwort auf meine Frage.“
„Ich will nicht, dass sich zwischen uns irgendetwas ändert.“
Auch das war eigentlich keine Antwort, aber sie beließ es dabei.
Das musste sie ohnehin, da sie sah, wie Mr Thompson geradewegs auf ihren Schreibtisch zusteuerte. „Ich muss auflegen.“
„Du bist sauer.“
„Ja. Äh, nein. Wir sprechen wann anders, versprochen. Aber jetzt geht es nicht. Mein Chef kommt gerade auf mich zu.“
„Essen wir heute zusammen zu Abend?“, fragte Simon.
„Tut mir leid, ich muss heute länger arbeiten. Wir haben gerade einen großen Auftrag bekommen und mussten die Zeitplanung ändern.“
„Ich hoffe, dass du deine Überstunden zumindest bezahlt bekommst.“
„Ich verhalte mich kollegial“, flüsterte sie. „Es geht das Gerücht um, dass es eine neue Vollzeitstelle geben wird.“
„Das Gerücht geht immer dann herum, wenn Mr Thompson auf deine Unterstützung angewiesen ist.“
Das stimmte. „Ich muss jetzt wirklich aufhören.“ Rasch legte sie auf und strahlte ihren stämmigen Chef an. „Mit dem Entwurf für die Speisekarte bin ich fast fertig.“
„Wunderbar.“ Er nickte und runzelte dann die Stirn. „Ist Ihnen nicht gut, McDaniels? Ihre Gesichtsfarbe ist ein wenig … anders als sonst.“
Fast hätte sie angefangen zu lachen. Ein wenig anders war ein Kompliment, nachdem sie in den letzten vierundzwanzig Stunden immer wieder ihre Haut geschrubbt hatte. Am Morgen hatte sie etwas Langärmliges und Hosen angezogen, obwohl es über dreißig Grad waren. Und sie hatte sich eine dicke Schicht Make-up ins wunde Gesicht geschmiert, was sie eher rot als orange aussehen ließ.
„Es geht mir gut, Mr Thompson. Aber es ist gerade viel zu tun.“
„Stressen Sie sich nicht. Es wird ein langer Tag und ein umso längerer Abend.“
„Hatten Sie nicht gesagt, dass wir gegen sieben gehen könnten?“
„Das war, bevor mir wieder eingefallen ist, dass meine Frau heute Abend ein Essen
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