Julia Extra Band 356
vernünftig“, sagte sie steif.
„Habe ich jemals behauptet, vernünftig zu sein?“, scherzte Damon. Doch als er ihr den leeren Becher zurückreichte, lag eine stille Entschuldigung in seinen Augen.
In der Küche bereiteten Violet und Jessie das Abendessen vor. Bella nahm sich ein Messer und half beim Gemüseschneiden.
Der Regen prasselte gegen die mit Brettern zugenagelten Fenster, und eine kleine Lampe gab dem Raum eine gemütliche Atmosphäre. Das Radio spielte leise im Hintergrund und eine rotbraune Katze überwachte von einem gepolsterten Stuhl aus schläfrig das geschäftige Treiben in der Küche.
Bella genoss die Situation und erinnerte sich an die Zeiten, als sie ihrer Mutter in der Küche geholfen hatte. Ein Gefühl der Gelassenheit überkam sie, und nachdem Jessie den Raum verlassen hatte und Violet sich diskret über die Gründe der geplatzten Hochzeit erkundigte, gelang es Bella überraschend leicht, die komplizierte Heiratsangelegenheit mit all ihren heiklen Aspekten zu erklären.
„Trotzdem gibt es noch etwas anderes, das dich beschäftigt, nicht wahr?“, sagte Violet, nachdem Bella ihre Geschichte beendet hatte.
Unter Violets forschendem Blick musste Bella unwillkürlich zu Boden sehen. „Die Trennung von Kent ist für mich völlig in Ordnung.“
„Ich verstehe“, erwiderte Violet freundlich. „Dann kann ich nur annehmen, dass mein Enkel der Grund für deine momentanen Sorgen ist.“
Obwohl Bella die Röte ins Gesicht stieg, war es fast eine Erleichterung, dass ihr persönlicher Schmerz angesprochen wurde, besonders von Violet, die Damon besser kannte als jeder andere. „Ich werde darüber hinwegkommen“, erklärte sie ruhig.
„Das hoffe ich sehr“, seufzte Violet und legte in einer liebevollen Geste ihre Hand auf Bellas Arm. „Nur … eigentlich hatte ich gehofft, er wäre endlich zur Vernunft gekommen!“
9. KAPITEL
Im Verlauf des Nachmittags verschlechterte sich das Wetter zusehends.
„Heute Nacht werden viele Äste kaputtgehen“, bemerkte Jessie resigniert. „Ich bete nur, dass das Dach hält.“
Bella tat die alte Frau leid. Zum Schmerz um ihren gestorbenen Mann kam nun auch noch die Sorge um dieses Unwetter. Wenigstens war sie nicht allein!
Paddy war damit beschäftigt, die Wetterberichte zu sehen und kam in regelmäßigen Abständen in die Küche, um die Frauen auf dem neuesten Stand zu halten.
Der Auflauf war bereits im Ofen, als Damon endlich zurück ins Haus kam. Er hing seine nasse Jacke auf und ging unter die Dusche. Wenig später kam er in Jeans und mit nacktem Oberkörper ins Zimmer und Bella konnte ihre Augen nicht von ihm wenden. Als er sich bückte, um ein frisches T-Shirt aus seiner Reisetasche zu holen, hätte sie am liebsten über seinen muskulösen Rücken gestrichen und ihn in eine leidenschaftliche Umarmung gezogen. Stattdessen räusperte sie sich und sagte: „Machen wir uns also ab jetzt auf das Schlimmste gefasst!“
Wie auf ein Stichwort gingen in diesem Augenblick sämtliche Lichter aus.
Sie zündeten die Gaslampe an und alle vorhandenen Kerzen. Draußen zerrte der Wind heulend und tobend an den Balken, aber dank Damons Anstrengungen klapperte keines der Fenster, und auch das Dach hielt dicht. Das Innere des Hauses war in warmes gelbes Licht getaucht und strahlte Behaglichkeit aus.
Jessie betonte immer wieder ihre Dankbarkeit, dass sie alle bei ihr waren. Doch als eine besonders schwere Böe einen dumpfen Schlag an der Hausseite auslöste, war sie den Tränen nahe.
Paddy schenkte ihr ein Glas Sherry ein, und Violet schlug ein Brettspiel vor.
Froh über die Ablenkung, hatten sich alle schnell um den Wohnzimmertisch versammelt. Der Sturm wurde immer stärker und alle waren froh, im geschützten Haus zu sitzen. Bei Kerzenlicht und einer Flasche Wein genossen sie den köstlichen Auflauf, als Paddy begann, von seiner Freundschaft mit Jessies Mann zu erzählen.
„Mick und ich waren zusammen im Koreakrieg und haben viel erlebt“, erklärte er. „Eines Tages wurde ich durch einen Schuss ins Bein verwundet und konnte nicht weiter. Der gute alte Mick hat mich in einer nächtlichen Aktion rausgeholt.“
„Ein wahrer Held!“, sagte Bella leise. „Kein Wunder, dass ihr Freunde geblieben seid.“
„Paddy war unser Trauzeuge“, fügte Jessie lächelnd hinzu. „Und Mick war Trauzeuge, als Paddy deine Großmutter geheiratet hat, Bella.“
Bevor jedoch eine sentimentale Stimmung aufkommen konnte, gab es plötzlich draußen einen furchtbaren
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