Julia Extra Band 359
höher getragen, immer höher, bis sie zusammen den Gipfel der Lust erreichten.
Er zog sich von ihr zurück und legte sich neben sie. Zitternd strich Noelle sich die Haare aus dem Gesicht.
Sie rollte sich zur Seite, um Abstand bemüht und in dem Versuch, dem Schmerz zu entfliehen, der ihre Brust umklammert hielt. Sie wollte nicht mehr daran denken, was sie eben miteinander erlebt hatten. Die Lust, die Nähe.
Dann sah sie zu Ethan, betrachtete sein schönes Gesicht. Noch nie hatte sie einen Menschen so sehr geliebt, so sehr gebraucht wie ihn.
Doch sie wusste auch, dass sie sich das nicht antun konnte. Sie durfte nicht lieben, wo ihre Liebe nicht erwidert wurde. Es war falsch, sich wieder an einen Menschen zu klammern, der sie dann fallen ließ.
War es schon schwer genug gewesen, von ihrer Mutter und ihrem Klavierlehrer allein gelassen zu werden, könnte sie es nicht ertragen, auch noch von Ethan verlassen zu werden.
Deshalb musste sie jetzt gehen, solange sie noch die Kraft dazu hatte.
Sie stand auf, trat zu ihrem Koffer und nahm eine Jeans heraus.
„Noelle.“ Ethans Stimme klang belegt. „Bleib bei mir.“
Sie schüttelte den Kopf.
„Bleib“, sagte er, diesmal Verzweiflung im Ton.
„Ich kann nicht.“
„Warum?“
Tief atmete sie durch. „Nächstes Wochenende soll ich vorspielen. Und seit wir hier sind, habe ich nicht ein einziges Mal geübt. Ich muss zurück.“
„Damit du an deiner Musik arbeiten kannst.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung, die hohl und leer klang.
„Du hast recht. Darum ging es ja bei dieser Affäre, wie du erst kürzlich wieder betont hast. Dass jeder bekommt, was er will.“
Am liebsten wäre sie zu ihm gegangen, um ihn zu küssen. Aber sie tat es nicht.
„Ich wünschte, du würdest bleiben.“ Er klang nun leiser.
Schmerzhaft zog sich ihr die Brust zusammen. „Ich kann nicht, Ethan. All das hier“, sie deutete auf das kitschige Zimmer, „ist für ein paar Tage gut und schön. Aber es ist nicht mein Leben. Meine Musik ist mein Leben. Das ist es, was ich brauche.“
„Nimm meinen Privatjet.“
„Nein, mir wird schon etwas einfallen …“
„Verdammt, Noelle, nimm den Flieger.“ Abrupt stand er auf, zog seine Hose an und griff nach seinem Handy. Er gab eine Nummer ein und ordnete an, den Jet startklar zu machen. „Mrs Grey muss zurück nach New York.“
„Das war nicht nötig“, wehrte sie ab.
„Doch. Schließlich bist du immer noch meine Frau. Und das bleibt auch so, bis die Tinte auf dem Vertrag getrocknet ist, den mein Großvater mir zuschickt. Vergiss das niemals.“
Nein, das würde sie nicht. Wie könnte sie je vergessen, warum sie geheiratet hatten. Ganz sicher nicht aus Liebe. Zumindest, was ihn betraf.
„Das werde ich nicht.“ Sie nahm ihre Handtasche vom Nachttisch. Alles andere brauchte sie nicht. Jetzt war nur wichtig, von Ethan loszukommen und von diesem entsetzlichen Gefühl der Trauer, das sie zu überschwemmen drohte.
„Er hat unrecht“, sagte sie mit brüchiger Stimme. „Du bist nicht wie er. Du bist wie meine Mutter. Du bist, wie ich war, als wir uns kennenlernten. Du glaubst, du könntest etwas in Ordnung bringen, indem du dich rächst oder Grey’s Resorts bekommst. So wie ich dachte, alles wird wieder gut, wenn ich meine Karriere fortsetzen kann. Aber so ist es nicht, für keinen von uns beiden. Es geht nicht um Materielles, sondern um Menschen. Um Liebe. Wenn du das nicht erkennst, wirst du nie glücklich werden. Und nichts, was du erreichst, wird je genügen.“
Ethan sah zu, wie Noelle das Zimmer verließ. Sie schloss die Tür mit einer Entschiedenheit hinter sich, die ihn erschütterte. Trotzdem starrte er weiter darauf, als könnte sie noch einmal zurückkommen.
Er war ein Idiot.
Seinen Vater zu besiegen, das war für ihn immer so gewesen, als würde es ihn selbst … wertvoll machen. Zu dem Mann, der er sein musste.
Es war der Junge in ihm gewesen, der auf all dies hingearbeitet hatte, das Kind, das von den beiden Menschen ignoriert wurde, die es eigentlich hätten lieben sollen.
Und jetzt musste er feststellen, dass er kein bisschen besser war als seine Eltern. Sein Leben lag in tausend Scherben vor ihm. Er hatte Noelle verloren.
Dabei gehörte ihm nun alles, wovon er geträumt hatte. Die Firma, unendlich viel Geld, er war berühmt. Und trotzdem war sie gegangen. Er hatte auf diesen Moment gesetzt, wo er über seinen Vater triumphieren würde. Gehofft, dass er damit den Schmerz und die Leere in sich
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