Julia Extra Band 359
seiner Geliebten, mit der er sogar ein Kind hatte. Bei seiner Rückkehr haftete ihm jedes Mal Rafas Geruch an. Jedes Mal hatte er mit schmerzerfülltem Blick beteuert, dass er mit Rafa Schluss machen würde, sobald sie erst verheiratet wären. Rafa, seine wahre Liebe, die unstandesgemäße Rafa, ein ehemaliges Dienstmädchen, das er nie zu seiner rechtmäßigen Ehefrau hätte machen können …
Eine tragische Geschichte … Amber errötete. Auch sie war in einen anderen verliebt, wenn auch nur von Weitem. Fadi hatte das gewusst, sie verstanden und getröstet. Was für einen guten Freund sie mit ihm verloren hatte! Ein unersetzlicher Verlust. Und doch … Ja, und doch erlaubte sich ihr verräterisches Herz einen aufgeregten Hüpfer. Ihre heimliche Liebe war nicht länger verboten …
„Ich bin noch in Trauer. Trotzdem erwartest du, dass ich Fadis Bruder heirate, der zudem mit schweren Verbrennungen im Krankenhaus liegt? Wirkt das nach außen hin nicht ziemlich … verzweifelt?“ Sie schämte sich ihrer erwartungsvollen Vorfreude, betete, dass ihr Vater ihr ihre wahren Gefühle nicht vom Gesicht ablas. „Kannst du Alim nicht bitten, die Hochzeit um ein paar Monate zu verschieben, bis …“
„Du wirst nicht Alim heiraten“, unterbrach der Scheich sie schroff.
Sie schoss aus ihrem Sessel hoch. „Was?“
„Es tut mir leid“, sagte ihr Vater leise. „Aber Alim ist letzte Nacht aus dem Krankenhaus verschwunden. Offenbar ist er nicht bereit, Fadis Erbe anzutreten. So schnell wird er sich wohl nicht wieder hier blicken lassen.“
Das war der richtige Augenblick für einen hysterischen Schreikrampf, den Amber sich selbstverständlich verkniff. Frauen ihres Standes beherrschten sich stets, auch wenn sie gerade von dem Mann, in den sie heimlich verliebt waren, sitzen gelassen wurden. „Wo ist er hin? Wie hat er es überhaupt geschafft, die Klinik zu verlassen?“
„Wir vermuten ihn in der Schweiz. Er muss seine Flucht während der wenigen Stunden, in denen er bei Bewusstsein war, vorbereitet haben, wahrscheinlich mithilfe des medizinischen Personals seines Rennteams.“
„Wie verzweifelt muss er gewesen sein, in seinem Zustand aus dem Krankenhaus zu fliehen, nur um einer Ehe mit mir zu entkommen.“ Amber verspürte einen Anflug von Übelkeit.
„Ich würde das nicht persönlich nehmen, Liebes. Er kennt dich ja kaum. Nein, ich denke, er hat es aus Prinzip getan. Vielleicht war es auch eine Art Trauerreaktion.“ Der Scheich schauderte, eine Regung, die Amber ihm gar nicht zugetraut hätte. „Man kann es ihm nicht verübeln, wenn man bedenkt, welche Rolle er bei Fadis Tod gespielt hat … Und dann aufzuwachen und überall auf seinem geschundenen Körper die transplantierte Haut seines Bruders zu entdecken … Vielleicht meinte er, ihm genug genommen zu haben. Sein Leben, seine Haut, grauenhaft … Dann auch noch die Braut seines Bruders zu heiraten, muss ihm vorgekommen sein, als hätte er es darauf angelegt.“
„Stimmt.“ Ihre Stimme klang bitter, das hörte sie selbst. Aber war das ein Wunder? Noch schlimmer konnte der Tag wohl nicht werden.
„Da du es vorziehst, nicht zu fragen, sage ich es dir. Harun, der jüngste der drei Brüder, ist an Fadis Stelle in der Erbfolge gerückt und hat sich einverstanden erklärt, dich zu heiraten.“
„Er war sicher hellauf begeistert!“, presste Amber hervor. „Abgewiesen von Bruder Nummer eins und zwei, wird jetzt also von mir erwartet, Bruder Nummer drei mit einem glückseligen Lächeln auf den Lippen zu nehmen. Muss ich denn jede Demütigung akzeptieren, Vater?“
„Du musst akzeptieren, was ich für dich bestimme, Amber.“ Es war keine Spur mehr von Wärme in seiner Stimme zu hören. „Dabei solltest du dankbar sein, dass ich mir so viele Gedanken um deine Verheiratung mache.“
„Oh, entschuldige bitte! Warum verfrachtest du mich nicht einfach ins Prinzessinnen-Asyl, damit ich dir nicht länger zur Last falle? Wie ein Hündchen, das, einmal verschenkt, wieder in deinen Besitz zurückgekehrt ist und für das jetzt ein neues Zuhause gesucht wird.“
„Schluss damit!“, unterbrach ihr Vater sie scharf. „Du bist eine schöne junge Frau. Es gab jede Menge Heiratskandidaten für dich, aber ich habe mich für die Familie al-Kanar entschieden. Es sind gute Männer.“
„Klar sind sie das! So gute, großartige Männer, dass sie wirklich alles tun, um mich nicht zur Frau nehmen zu müssen.“ Sie versuchte, so kalt wie möglich zu klingen. Wollte ihren
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