Julia Extra Band 362
er ein Ersatzgroßvater, ihr selbst ein Ersatzvater. Frank hatte ihr Gehalt erhöht, ohne dass sie darum gebeten hatte, ein neues Fernsehgerät organisiert, als ihr altes nicht mehr zu reparieren gewesen war, und er hatte Jeremy begleitet, als er sich eine neue Schuluniform hatte zulegen müssen. Der Junge hatte sich nämlich geweigert, mit Stace einkaufen zu gehen.
Verlegen zog Frank die Hand weg. Es war ihm unangenehm, Gefühle zu zeigen. Nur einmal hatte Stace ihn weinen sehen: am Grab ihres Vaters. Das hatte ihr Herz erst recht gebrochen.
Nun räusperte er sich. „In jedem Fall verspreche ich, die nächste Person einzustellen, die das Lokal betritt.“
„Aha.“ Stace lachte amüsiert. „Du versprichst schon seit zwei Wochen, jemanden einzustellen. Bisher hast du alle Bewerber abgewiesen. Eigentlich könnten wir das Schild wieder aus dem Fenster nehmen.“ Sie zeigte auf das Schild, auf dem „Aushilfe gesucht“ stand.
„Ich bin eben sehr wählerisch. Bisher war unter den Bewerbern noch kein Stace-Klone.“
„Du willst dich wohl bei mir einschmeicheln.“
„Ist es mir gelungen?“, erkundigte er sich grinsend.
„Ja, aber nur vorübergehend.“ Sie steckte Bestellblock und Kugelschreiber wieder ein. Jedes Mal, wenn sie mit Kündigung drohte, redete Frank ihr das Vorhaben wieder aus. Aber sie hätte ihn sowieso niemals im Stich gelassen. Dazu war sie viel zu loyal.
„Gut. Dann werde ich mal wieder in der Küche verschwinden. Die verflixten Zwiebeln schneiden sich leider nicht von selbst.“
Kaum hatte Frank sich umgedreht, kündigte das Glöckchen über dem Eingang zum Lokal einen Gast an. Wie auf Kommando wandten Stace und Frank sich gespannt um.
Riley McKenna!
Ausgerechnet! Er war auch nicht viel besser als Walter. Zwar sah er gut aus – falls man auf blaue Augen und dunkles Haar stand – und war charmant. Aber auch ein Playboy, und Stace reagierte nun mal allergisch auf Playboys.
Selbst wenn er noch so gewinnend lächelte.
Ständig tauchte er mit seiner jeweils neuesten Freundin in den Klatschspalten auf und wurde von vielen Frauen förmlich angehimmelt. Der jüngste Spross der alteingesessenen Familie McKenna hatte sich bisher erfolgreich vor der Arbeit und dem Einsatz für wohltätige Zwecke gedrückt. Denn jede Party im Raum Boston zu besuchen zählte ja wohl kaum als Dienst an der Gesellschaft, oder?
Um Männer seines Schlages machte Stace einen großen Bogen, seit sie am eigenen Leib erfahren hatte, dass ein charmantes Lächeln und Komplimente lediglich dazu dienten, Charakterschwächen zu verdecken. Zum Glück war sie rechtzeitig zur Besinnung gekommen. Sonst hätte sie so einen Mann geheiratet. Sie hatte Jim seit Jahren gekannt und sich von seiner charismatischen Erscheinung blenden lassen. An einem Sonntag hatte er sie um ihre Hand gebeten, am Dienstag darauf die Stadt verlassen – mit einer Frau, die er am Abend zuvor kennengelernt hatte.
Die ganze Zeit hatte Jim sie hinters Licht geführt und betrogen, und sie hatte weggesehen, weil er sie immer wieder mit seinem Charme eingewickelt hatte. Ein Jahr hatte sie gebraucht, um über ihn hinwegzukommen. Seitdem mied Stace die Gesellschaft solcher Typen, zu denen auch Riley McKenna zählte.
Fast immer saß er an einem der Tische, wo sie bediente, und bestellte Omelette. Nicht in einer der vielen Variationen, die auf der Karte standen. Aber nein! Riley wollte sein ganz individuelles Omelette und trieb Stace damit an den Rand des Wahnsinns. Frank schien seltsamerweise kein Problem mit Rileys ausgefallenen Wünschen zu haben.
Aus der Art und Weise, wie Riley dann lustlos im Essen herumstocherte und am Handy über heiße Partys und nichtssagende Begleiterinnen diskutierte, schloss Stace, dass er ein recht oberflächliches Leben führte.
Außerdem besaß er noch die Unverschämtheit, mit ihr zu flirten. Einmal hatte er sie sogar um ihre Telefonnummer gebeten. Offensichtlich bildete er sich ein, jede Frau würde ihm zu Füßen liegen. Ha!
Dabei war er auch nur einer dieser reichen Junggesellen in der Stadt, die vermutlich noch nie in ihrem Leben gearbeitet hatten und daher auch die harte Arbeit ihrer Mitmenschen nicht zu würdigen wussten.
„Wie geht’s, Frank?“ Charmant lächelte er ihnen zu und schob sich auf einen Barhocker.
„Danke. Und selbst?“
Das Lächeln verschwand. „Mir ging’s schon mal besser.“
„Vielleicht würde frischer Apfelkuchen helfen.“
„Nein danke. Höchstens, wenn er gratis ist. Ich bin
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