Julia Extra Band 362
Annäherungsversuche abgewehrt. Offensichtlich konnte sie ihn nicht leiden. Vielleicht hätte er sich einfach zunächst mal ihren Namen merken sollen. Leider trug sie kein Namensschild.
Sie war wirklich bildhübsch, zierlich, hatte ausdrucksvolle grüne Augen, und wenn sie mal lächelte, was selten vorkam, ging die Sonne auf. Außerdem bewunderte er ihre Schlagfertigkeit. Mit anderen Gästen flachste sie fröhlich, nur ihm zeigte sie stets die kalte Schulter.
Immer wieder hatte er sie gebeten, mit ihm auszugehen, hatte mit ihr geflirtet, aber jedes Mal einen Korb bekommen. Er kam einfach nicht an sie heran. Doch jetzt waren sie Kollegen und mussten miteinander auskommen. „Zugegeben, ich habe keine Ahnung von dem Job. Aber ich lerne schnell. Allerdings kann es dabei passieren, dass ich mal im Weg stehe.“
„Mal?“
„Okay, öfter mal. Aber Frank hat mich eingestellt, damit ich dir die Arbeit wenigstens etwas erleichtere. Falls du mich lässt.“
Stace verdrehte die Augen. „Was soll ich denn mit dir anfangen?“
„Du kannst mich abrichten“, witzelte er. „Ich kann Sitz oder Platz machen und sogar betteln.“
Sie musste sich das Lachen verkneifen. „Mach einfach Platz! Auf die Gäste kann ich dich nicht loslassen. Das würde noch mehr Arbeit für mich machen.“
„Wieso? Hältst du mich für unfähig, eine Bestellung aufzunehmen und sie an Frank weiterzugeben?“ So schwierig konnte das doch nicht sein.
„Ja.“
„Und wieso?“
„Weil ein Mann mit manikürten Fingernägeln und sündhaft teurem Haarschnitt gewohnt ist, Anweisungen zu geben, statt auszuführen.“
Riley zuckte zusammen. Wirkte er wirklich wie ein nutzloser Playboy, der nur sein Vergnügen im Kopf hatte? Offensichtlich. Und er konnte es den Leuten nicht verdenken, denn durch besondere Leistungen hatte er sich bisher ja nicht ausgezeichnet. Doch das sollte sich nun schlagartig ändern.
„Frank hat mich nicht ohne Grund eingestellt.“
„Er hat mir versprochen, die nächste Person einzustellen, die das Lokal betritt. Frank hätte den Job auch einem Affen gegeben, um zu beweisen, dass er alles in die Tat umsetzt, was er ankündigt.“
„Wieso will er das beweisen?“
„Das geht dich gar nichts an. Du bist ja sowieso nur hier, um dich zu amüsieren.“
Zwei weitere Gäste kamen herein. Automatisch griff Stace nach weiteren Speisekarten. „Ich habe keine Lust, bei deinem Projekt ‚Wie lebt es sich als Normalsterblicher?‘ mitzumachen.“
„Aber ich …“
Sie achtete nicht weiter auf ihn, sondern eilte zielstrebig zu den Neuankömmlingen, wartete höflich, bis sie sich gesetzt hatten, und reichte ihnen die Speisekarten, bevor sie die Bestellung der Bauarbeiter aufnahm. Wie der Blitz verschwand sie dann hinterm Tresen, riss den Bestellzettel vom Block und rief Frank zu, was die Arbeiter essen wollten.
Verwirrt versuchte Riley, den merkwürdigen Code zu entschlüsseln. Vergeblich. Das kann ja heiter werden, dachte er. Doch so schnell gab er sich nicht geschlagen. Allerdings bezweifelte er, dass er jemals so schnell und effizient arbeiten würde wie Sandy/Sally. Langsam kam er zu dem Schluss, dass der Job anstrengender war, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte. Warum sonst wechselten die Aushilfskräfte hier so häufig? Die einzigen festen Größen im Morning Glory waren Frank und die flinke Blondine, die ihn nicht leiden konnte.
„He, Kumpel, bist du da festgewachsen?“
Riley lehnte an der Servicestation und blätterte in einer Speisekarte. So genau hatte er sich die noch nie angesehen, weil er sowieso immer bestellte, was ihm gerade in den Sinn kam und nicht auf der Karte stand. Da er damit rechnete, später von Sandy/Sally abgefragt zu werden, las er sie sich jetzt gründlich durch.
„Kumpel!“
Franks Auswahl war beeindruckend. Normalerweise frühstückte Riley hier, weil das Lokal zwischen der U-Bahn-Station und dem Bürogebäude von McKenna Media lag. Außerdem gab es hier weit und breit den besten Kaffee. Beim Durchblättern bemerkte Riley, dass im Morning Glory nur Frühstück und Mittagessen angeboten wurde. Prima, dann hatte er abends frei.
Die Aussicht, die Abende in einer Bar zu verbringen, riss ihn plötzlich nicht mehr vom Hocker. Vielleicht lag das an seinem fortgeschrittenen Alter. Immerhin war er gerade ein Jahr älter geworden. Oder am Schock über seinen Rauswurf bei McKenna Media. Vielleicht brauchte er auch einfach neue Freunde und einen Sinn im Leben.
„He, du Trottel!“
Riley
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