Julia Extra Band 362
Hinterausgang des Lokals und zog Riley neben sich. „Weißt du, warum ich noch immer in dem alten Häuschen in Dorchester wohne?“
„Weil die Immobilienpreise in Boston unbezahlbar sind?“
Sie nickte lachend. „Ja, deswegen auch. Aber eigentlich, weil mich die gleiche Angst plagt wie dich. Auch ich musste einsehen, dass nichts von Dauer ist. Doch wenn ich mich nur fest genug an etwas klammere, kann ich es vielleicht doch festhalten, dachte ich. Deshalb konnte ich nicht loslassen. Ich wollte, dass alles so bleibt, wie es ist. Erst allmählich ist mir bewusst geworden, wie sehr ich mich dadurch selbst in die Ecke gedrängt habe. Ich kam aus dem alten Trott einfach nicht mehr heraus; bis zu dem Tag, an dem das Dach über mir eingestürzt ist, habe ich acht Jahre lang immer die gleiche Routine eingehalten: Morgens bin ich aufgestanden, habe im Golden Glory gearbeitet und bin wieder nach Hause gefahren. Und heute ist mir endlich bewusst geworden, wieso das so war.“ Sie begegnete Rileys Blick und brach in Tränen aus. „Ich hatte Angst vor Veränderung“, schluchzte sie. „Ich habe jedes Risiko gescheut. Ich fürchtete mich, etwas anders zu machen.“
„Warum?“
„Weil ich dann alles hätte verlieren können. Solange ich nichts veränderte, konnte ich alles unter Kontrolle haben, was mir noch geblieben war. Deshalb habe ich die alten Möbel behalten, die Teetassen meiner Mutter und die Speisekarte im Morning Glory nicht geändert. Alles ist so geblieben, wie es immer war. Und weißt du was?“
Geduldig wartete Riley, bis sie sich alles von der Seele geredet hatte.
„Dadurch habe ich mich selbst zum Stillstand verdammt. Ich habe nicht studiert. Ich habe nicht geheiratet. Ich habe keine Kinder. Aus Zeitmangel, habe ich mir eingeredet. Vielleicht stimmt das sogar, aber ich hatte eben einfach Angst, irgendetwas zu verändern. Du hattest recht, Riley. Das Morning Glory ist praktisch mein Zuhause. Und dann habe ich gesehen, wie Jeremy, der ja auch Grund hatte, sich an Bestehendes zu klammern, plötzlich losgelassen hat. Er hat die Schule gewechselt, hat neue Hobbys, ein neues Leben, ist förmlich aufgeblüht. Durch ihn ist mir bewusst geworden, dass Veränderung gut ist. Nehmen wir beispielsweise diese Veranstaltung heute: Jahrelang habe ich mich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, so etwas auszurichten, weil ich Angst hatte, es würde die Atmosphäre des Morning Glory zerstören. Doch das Gegenteil ist der Fall. Das Lokal ist zu neuem Leben erwacht, ist praktisch zum festen Bestandteil der Gemeinschaft geworden, weil wir uns verändert haben.“ Sie schaute Riley tief in die Augen. „Und das haben wir dir zu verdanken.“
„Ich hatte nur die Idee.“
„Du hast alles in die Wege geleitet, Riley, und dich richtig in die Arbeit gestürzt. Aber das willst du nicht wahrhaben, weil du Angst hast.“
„Ich? Nein!“
„Doch. Deshalb bist du ständig auf der Flucht: vor der Verantwortung, vor Jobs, vor … mir.“
Riley wandte den Blick ab. „Ich habe vor gar nichts Angst.“
„Dann beweise es mir. Geh das größte Risiko deines Lebens ein, Riley!“ Stace stand auf. „Lauf nicht mehr davon! Bleib endlich mal bei einer Sache! Für immer.“
Die Benefizveranstaltung für das Tierheim war sehr erfolgreich gewesen. Walter lief mit einem fast fröhlichen Lächeln durch die Gegend, und Frank strahlte zufrieden über das ganze Gesicht. „Das sollten wir öfter machen“, sagte er. „Es bringt Leben in die Bude und führt Menschen zusammen.“
Stace, die gerade Klarsichtfolie über die Platte mit den restlichen Muffins zog, sah auf. „Du hast recht, Frank. Es wurde Zeit, mal was Neues zu wagen. Wir sollten auch die Speisekarte überdenken und das Lokal renovieren.“
Frank musterte sie neugierig. „Wow! Dass ich das mal aus deinem Mund hören würde.“
Sie lächelte wehmütig. Dass Riley nicht auf ihre Herausforderung reagiert hatte, hatte ihr endgültig das Herz gebrochen. Doch irgendwie musste das Leben ja weitergehen. Sie würde sich jetzt eben ganz auf die Veränderungen im Morning Glory konzentrieren.
Frank nahm seine Schürze ab und warf sie schwungvoll in den Wäschebeutel. „Veränderungen sind gut, Stace. Für das Lokal, für dich und für mich.“
„Wie meinst du das, Frank?“ Sie setzte sich auf einen Barhocker.
Lächelnd setzte Frank sich zu ihr und legte einen Reiseprospekt auf den Tresen. „Ich gehe demnächst auf Europareise. Eleanor hat mich überredet. Ich glaube, sie hat
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