Julia Extra Band 362
Jeremy.“
„Wo hast du denn so lange gesteckt? Du siehst super aus.“
„Danke, mir geht’s auch prima. Ich habe dreißig Tage in einer Entzugsklinik verbracht. Jetzt wohne ich in einem Rehabilitationszentrum, bis ich endgültig clean bin. Dieses Mal packe ich es, Stace. Bitte entschuldige, dass ich einfach sang- und klanglos abgehauen bin. Aber ich hatte Angst, wieder zu versagen. Jetzt bin ich aus dem Gröbsten heraus.“ Sie löste sich aus der Umarmung und wandte sich mit scheuem Lächeln ihrem Sohn zu, der unsicher war, wie er auf das unverhoffte Wiedersehen mit seiner Mutter reagieren sollte.
„Ich möchte keinen weiteren Tag deines Lebens verpassen, Jeremy. Nie wieder werde ich dich einfach so im Stich lassen. Durch den Unfall ist mir erst bewusst geworden, wie verantwortungslos und egoistisch ich war. Fast hätte ich meinen eigenen Sohn getötet. Es tut mir so unendlich leid, Jeremy, was du meinetwegen durchmachen musstest.“ Behutsam legte sie ihm eine Hand auf die Schulter und versprach schluchzend: „Ab sofort werde ich dir eine gute Mutter sein. Ich habe dich so lieb, Jeremy. Bitte verzeih mir.“
Im nächsten Moment umarmte er die schluchzende Lisa. Auch in seinen Augen schimmerten Tränen, doch ein glückliches Lächeln erhellte sein Gesicht. Endlich hatte er seine Mom wieder!
Nach der ersten Wiedersehensfreude wurde Stace schmerzlich bewusst, dass sie selbst nun wieder allein war, denn natürlich würde Jeremy wieder zu seiner Mutter ziehen, sobald sie eine Wohnung gefunden hatte.
Diskret zog sie sich zurück, um Mutter und Sohn Gelegenheit zu geben, sich einander wieder anzunähern.
Riley, der mit Frank das letzte Essen an die Helfer des Tierheims verteilte, die damit begonnen hatten, den Stand abzubauen und die Tiere, die nicht vermittelt worden waren, in den Transporter zu bringen, sah auf. „Ist das Jeremys Mom?“
„Ja. Langsam fange ich an, doch an Wunder zu glauben.“
„Das freut mich.“ Er hielt Staces Blick fest.
Frank räusperte sich. „Entschuldigt mich, ich will schnell noch mehr Muffins backen.“
Geistesabwesend strich Stace wieder über das Regal. „War das deine Idee, Riley?“ Vermutlich war ihm aufgefallen, wie sehr sie an den Erinnerungen an ihre Mutter hing, und er hatte Jeremy angestiftet, dieses perfekte Regal zu kreieren, dessen Blumendesign sie nun auch immer an ihren Vater erinnern würde.
Warum schleicht er sich immer wieder in mein Herz, wenn ich gerade verzweifelt versuche, ihn zu vergessen? überlegte Stace. „Wie bist du überhaupt darauf gekommen?“
„Du brauchtest einen Platz, an dem du die kostbaren Teetassen sicher aufbewahren kannst, und ein Regal war die naheliegende Lösung.“
„Das neue Dach wird hoffentlich eine Weile halten. Da sind sie wohl erst mal sicher.“
„Prima.“ Nachdenklich strich Riley über die Schnitzerei. „Jeremy hat es viel Spaß gemacht, das kleine Schätzchen hier anzufertigen.“
„Ja, und sein neues Hobby hat er dir zu verdanken. Wer hat dich eigentlich zum Arbeiten mit Holz inspiriert?“
„Mein Vater. Wir haben immer neue Projekte gefunden, an denen wir gemeinsam tüfteln konnten. Kurz vor seinem Tod hatten wir angefangen, ein Baumhaus zu bauen.“
„Das hat sicher Spaß gemacht.“
„Ja.“ Schweigend machten sie sich auf den Weg zu einer ruhigen Ecke, bevor Riley weitererzählte. „Bei der Arbeit leistete uns ein Specht Gesellschaft, der über uns gegen den Stamm klopfte. Jeden Tag. Mein Vater meinte, er wäre der gute Geist des Baumhauses, und hat ihm sogar ein Vogelhäuschen gebaut, das er am Baumhaus angebracht hat. So wollte er den Specht zum Bleiben bewegen.“ Ein wehmütiges Lächeln huschte über Rileys Gesicht. „Nach der Beerdigung bin ich ins Baumhaus geklettert, aber der Specht war nicht da. Jeden Tag habe ich versucht, das Baumhaus allein fertig zu bauen, weil ich hoffte, der Vogel würde zurückkehren. Doch er blieb weg.“ Riley fluchte unterdrückt. „Als ich das einsehen musste, habe ich aufgehört …“
„Womit hast du aufgehört?“
„Ich habe aufgehört, an Beständigkeit zu glauben.“ In seinen Augen schimmerten Tränen, als er Stace anschaute. „Nichts ist von Dauer, Stace. Das habe ich damals gelernt.“
In diesem Moment wurde ihr bewusst, dass Riley von den gleichen Ängsten wie sie selbst geplagt wurde. Obwohl sie unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten angehörten, waren sie sich trotzdem so ähnlich!
„Oh Riley!“ Sie setzte sich auf die Treppe am
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