Julia Extra Band 362
vergessen“, stöhnte Rob, dem endlich auffiel, was los war, denn sie hatte ihm von ihrer Legasthenie erzählen müssen, um mit ihm arbeiten zu können. Er kümmerte sich um alles, was sie nicht konnte. Also nahm er ihr den Notizblock ab und teilte ihr mündlich alle Details mit.
Während er sprach, wäre Zara am liebsten im Erdboden versunken. Sie schämte sich immer fürchterlich, wenn sie ihre Behinderung nicht verbergen konnte und Kollegen für sie einspringen mussten. Dann erinnerte sie sich sofort an die schrecklichen Tage, als ihr Vater sie wegen ihrer schlechten Schulleistungen mehrfach mit „strohdumm“ tituliert hatte.
Doch Zaras Verlegenheit wich immer mehr einer wachsenden Begeisterung angesichts der Aussicht, sich einer wirklich kreativen Herausforderung stellen zu können. Abgesehen von den Gärten, an denen sie gemeinsam mit Edith gearbeitet hatte, umfasste ihr Portfolio bislang nur ein paar kleinere Stadtgärten mit begrenztem Budget. Ein größeres Projekt war genau das, was sie brauchte. Wenn sie es gut meisterte, würde es ihrer kleinen Firma genug Gewicht verleihen, um einen neuen Weg einzuschlagen und nicht mehr so sehr vom Ruf ihrer verstorbenen Tante abhängig zu sein.
„Ruf ihn zurück und mach einen Termin mit ihm aus“, sagte sie zu Rob. „Ich möchte so schnell wie möglich fliegen.“
Danach verließ sie die Gärtnerei und fuhr in die Stadt, um den Fortgang der Arbeiten an zwei aktuellen Projekten zu kontrollieren. Bei dem einen lief alles bestens, doch das andere war vorerst zum Stillstand gekommen, weil an einer besonders ungünstigen Stelle Rohre aufgetaucht waren, von denen keiner etwas gewusst hatte. Den Kunden zu trösten und einen Experten aufzutreiben, der sich um das Problem kümmerte, kostete Zeit, und so war es schon nach sechs, als Zara in das Apartment zurückkehrte, das sie im Haus ihrer Eltern bewohnte.
Fluffy, ihr kleines Kaninchen, strich sofort um ihre Füße und begrüßte sie enthusiastisch. Zara fütterte das Tier und streichelte den weichen Kopf. Es dauerte keine zehn Minuten, da tauchte Ingrid Blake, eine superschlanke, wunderschöne Frau von dreiundvierzig Jahren, in der Wohnung ihrer Tochter auf.
„Wo in aller Welt hast du den ganzen Tag gesteckt?“, fragte ihre Mutter ungeduldig. Ihre Stimme war so schrill, dass Fluffy sich verängstigt in ihr Häuschen verzog.
„Ich war in der Gärtnerei und musste bei ein paar Projekten nach dem Rechten sehen …“
„Die Gärtnerei? Projekte? “ Ingrid zog eine Grimasse, ganz so als hätte Zara ein unschickliches Wort benutzt. „Wann hört dieser Unsinn endlich auf, Zara? Die Gärtnerei kann niemals mehr als ein Hobby sein. Deine wahre Aufgabe im Leben ist die Hochzeit, die du vorbereiten musst – es gibt Kleiderproben, Caterer und Floristen müssen ausgewählt werden, und das ist erst der Anfang …“
„Ich dachte, wir hätten einen Wedding Planer, der sich darum kümmert“, entgegnete Zara ruhig. „Ich habe bislang jeden Termin eingehalten …“
„Zara“, unterbrach Ingrid sie ungehalten, „stell dich nicht dümmer, als du bist. Eine Braut sollte eine aktivere Rolle bei ihrer eigenen Hochzeit übernehmen.“
„Stell dich nicht dümmer, als du bist“ war ein Kommentar, der sie immer noch bis ins Mark traf, denn Zaras Schuljahre waren der reinste Alptraum gewesen. Für ihre schwachen Schulleistungen schämte sie sich noch heute.
„Das hier ist mehr deine Hochzeit als meine“, fühlte Zara sich gezwungen zu sagen, denn dieses ganze Tamtam ging ihr ziemlich auf die Nerven.
Ingrid stemmte eine Hand in die knochige Hüfte und funkelte ihre Tochter wütend an. „Was soll das heißen?“
„Nur, dass dir solche Dinge wichtiger sind als mir. Ich will nicht unhöflich sein, aber ich habe anderes im Kopf als die Frage, ob ich Perlen oder Kristalle auf dem Schleier haben sollte. Und Sergios ist es auch egal. Vergiss nicht, dass das seine zweite Ehe ist“, erinnerte sie ihre Mutter sanft, denn sie wollte die Gemüter lieber besänftigen, als weiteren Aufruhr zu schüren.
Inmitten der Diskussion rief Rob an, um Zara zu fragen, wie rasch sie nach Italien fliegen könne. Während sie telefonierten, checkte er die Flüge und buchte schließlich einen Flug für den übernächsten Tag. Ingrid war zu ungeduldig, um darauf zu warten, dass ihre Tochter das Telefonat beendete, weshalb sie einfach aus der Wohnung marschierte.
Als sie wieder allein war, seufzte Zara erleichtert. In Italien würde sie
Weitere Kostenlose Bücher