Julia Extra Band 365
miteinander telefoniert hatten, war alles viel einfacher gewesen. Und besser. Hätten sie doch nie die Grenze überschritten! Dann würde sie jetzt nicht nachts von ihm träumen. Und es würde ihr nicht heiß und kalt werden, wenn jemand im Gespräch seinen Namen nannte.
„Ich komme heute noch vorbei“, sagte er. „Dann können wir alles genau besprechen.“
„Was?“ Sie sprang auf. Er war doch noch nie in Mailand aufgetaucht, jedenfalls nicht während der zwei Monate, die sie hier war. Er residierte in Moskau, und darüber war sie auch sehr froh.
„Ich merke, wie sehr Sie sich darüber freuen“, bemerkte er trocken.
„Entschuldigung.“ Innerlich verfluchte sie sich. Sie hätte Gott weiß was gegeben für etwas mehr Erfahrung in Sachen Sex. Doch die würde sie in den nächsten Stunden bestimmt nicht sammeln können.
Aber es wurde langsam Zeit. Zu lange hatte sie sich von dem Horror ihrer früheren Beziehung beherrschen lassen.
Für gut zwei Monate war ihr Name damals ein Synonym für Flittchen gewesen. Ihr Bruder hatte sein Bestes getan, um sie zu schützen. Dabei hatte sie auch ihn angelogen und behauptet, es wäre nichts geschehen. Eine Schuld, an der sie heute noch schwer trug.
Es war so einfach, eine Entschuldigung für alles zu finden. Schließlich hatte sie ja nicht gewusst, dass ihr Lover verheiratet gewesen war. Und William hatte ihr beteuert, er würde sie lieben. Aber in Wirklichkeit gab es keine Entschuldigung. Sie war dumm und naiv gewesen und hatte zugelassen, dass man sie manipulierte.
Eine nach Zuneigung hungernde junge Frau, die jedes Kompliment, jedes bisschen Aufmerksamkeit ihres Chefs in sich aufsog.
Und sie ließ es immer noch zu, dass dieser Mann sie beeinflusste. Wetten, dass er noch nicht einmal mehr ihren Namen wusste? Und für seine Frau, die ihn damals wegen dieser Affäre verlassen hatte, hatte er bestimmt schon Ersatz gefunden.
Aber sie war immer noch wie gelähmt und badete in alten Schmerzen und Gewissensbissen. Alles Lüge. Sie machte sich und anderen etwas vor.
Es war vielleicht keine so gute Idee, mit Aleksej ins Bett zu gehen. Aber sie sollte ihre Entscheidung nicht von den Geschehnissen in ihrer Vergangenheit abhängig machen, sondern davon, dass ein Flirt am Arbeitsplatz nun wirklich nicht die klügste Idee war.
„Ich … ich sehe Sie dann in Mailand“, sagte sie, legte das Telefon beiseite und setzte sich. Ihr Herz hämmerte und ihre Hände zitterten. Und dieses Mal war nicht Aleksej daran schuld.
In den letzten zehn Minuten war ihr ein Licht aufgegangen. Sie hatte ihre Beziehung zu William gar nicht hinter sich gelassen. Sie war keinen Schritt weitergekommen. Selbst jetzt ließ sie es immer noch zu, dass er ihr Leben bestimmte.
Aber damit war ab heute Schluss!
6. KAPITEL
Natürlich war Aleksej nicht nur kurz vorbeigekommen. Er war den ganzen Tag geblieben. Und natürlich war der Grund seines Besuchs die nächste Ausstellung.
Das hieß, dass es auch sie betraf, und zwar in allen Belangen: das große Treffen mit dem ganzen Stab, das kleinere, mit den engsten Mitarbeitern. Und nachdem sie schon Stunden mit ihm verbracht hatte, saß sie jetzt allein mit ihm in seinem Büro, und sie gingen noch einmal alle Details durch.
Eigentlich ließ er sie ihren Job allein machen. Aber diese Ausstellung war ihm ein persönliches Anliegen. Deswegen mischte er sich in alles ein, änderte Dinge nach seinen Vorstellungen und trieb sie fast in den Wahnsinn.
„Was machen wir mit der Halskette?“, fragte sie.
Die Kette war das große Geheimnis von Aleksejs neuer Kollektion. Ein Kunstwerk aus Smaragden, Diamanten und Platin. Allein der Materialwert betrug eine halbe Million.
„Ich möchte, dass sie der Mittelpunkt der Ausstellung ist. Natürlich gut gesichert.“
„Na ja, wir könnten eine Alarmanlage drum herum bauen, ohne dass die Sicht auf die Kette gestört wird. Und natürlich wären überall Sicherheitsleute.“ Sie lehnte sich zurück und streckte den schmerzenden Nacken.
„Das hört sich gut an“, meinte er, während er aufstand. Er ging um den Tisch herum und stellte sich vor sie.
Sie war nicht sehr groß und trug deshalb immer hohe Absätze. Aleksej war trotzdem noch einen Kopf größer als sie. Er gab ihr das Gefühl, klein, zierlich und sehr weiblich zu sein. Und seltsamerweise gefiel ihr das.
Sie bückte sich nach ihrer Tasche, und als sie aufstand, war sie Aleksej plötzlich näher, als ihr lieb war. Mit einem Mal schien es im Büro heißer zu
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