Julia Extra Band 366
rasten über den schwarzen Asphalt, der zu beiden Seiten von rot-goldener Wüste gesäumt war. In der Ferne sah sie eine zerklüftete Bergkette, die in der Morgensonne wie Kupfer glänzte.
Aus irgendeinem Grund hatte sie eine Stadt erwartet. Die meisten Herrscher, die sie in Dubai oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten kannte, lebten in weltoffenen Städten – mit Modeboutiquen, Luxushotels und Fünf-Sterne-Restaurants. Heutzutage waren Scheiche reicher als die Angehörigen der europäischen Fürstenhäuser. Sie konnten sich jeden erdenklichen Luxus leisten und besaßen Privatjets, Jachten, Sportwagen und einen Stall voller Rassepferde.
So hatte sie sich auch die Welt von Scheich Al-Koury vorgestellt. Stattdessen gab es nur Sand. Buchstäblich ein Sandmeer, das sich bis zu dem Gebirge erstreckte.
Ihre Idee, Hannah einfach einfliegen zu lassen und die Rolle mit ihr zurückzutauschen, war nicht zu verwirklichen. Das wusste Emmeline inzwischen. Jedes Flugzeug würde in dieser Wüste bemerkt werden.
„Sie sehen enttäuscht aus“, sagte Makin.
„Warum sollte ich enttäuscht sein?“, fragte sie möglichst beiläufig.
Seine silbernen Augen blickten sie an. Ein seltsames Leuchten ging von ihnen aus.
„Sie haben die Wüste und Kasbah Raha nie gemocht“, sagte er sanft. „Ihnen gefällt das pulsierende Leben in Nadir besser.“
„Mag sein“, gab sie zurück. „Dennoch gefällt mir, wie die Morgensonne den Sand in goldenes und kupferfarbenes Licht taucht.“
„Das ist neu. Normalerweise liegt Ihnen nicht viel an der Wüste, weil Sie hier immer an die Ranch in Texas denken müssen.“
„Aber ich denke gern an die Ranch, schließlich bin ich dort aufgewachsen“, wagte sie sich vor.
„In Nadir haben Sie Freunde und ein eigenes Apartment, während Sie hier die ganze Zeit mit mir allein verbringen müssen.“
Mit ihm allein. Bei dem Gedanken überkam sie Angst. Sie konnte sich nicht vorstellen, eine weitere Stunde, geschweige denn Tage mit ihm allein zu verbringen. Hannah und sie mussten schleunigst wieder die Rollen tauschen.
Plötzlich flackerte es in seinen Augen, und er grinste spöttisch. Sie hätte schwören können, dass er ihre Gedanken erraten hatte. Dabei konnte er unmöglich wissen, wie sehr er sie irritierte.
Makin stand auf und er schien den ganzen Raum einzunehmen. Alejandro war vielleicht attraktiv, aber dieser Mann strahlte Macht aus.
„Glücklicherweise werden Sie mit meinen Gästen zu beschäftigt sein, um sich einsam zu fühlen“, fügte er hinzu. „Ich verlasse mich darauf, dass alles für ihre Ankunft vorbereitet ist?“
„Selbstverständlich.“ Sie lächelte mit gespieltem Selbstbewusstsein.
„Gut. Gestern Abend habe ich mir nämlich ernsthaft Gedanken gemacht, dass Sie für die Konferenz nicht genügend vorbereitet sein könnten. Aber da Sie während des gesamten Flugs geschlafen haben, dürften Sie jetzt ausgeruht sein. Haben Sie eigentlich ein Schlafmittel genommen?“
„Warum?“
„Weil Sie normalerweise im Flugzeug nicht schlafen können.“
„Wahrscheinlich war ich einfach zu erschöpft“, sagte sie wahrheitsgemäß. In letzter Zeit schlief sie viel, wohl eine Nebenwirkung der Schwangerschaft. „Haben Sie sich auch ein wenig ausruhen können?“
„Ich konnte nicht schlafen“, gab er zurück. „Ich habe mir – ähm – Ihretwegen Sorgen gemacht.“
Ihr Herz machte einen Sprung, weil echte Besorgnis in seiner Stimme lag.
Vielleicht verachtete er Emmeline, aber Hannah bewunderte er.
Sie spürte einen Anflug von Neid. Was hätte sie dafür gegeben, eine Frau wie Hannah zu sein, die Liebe und Achtung verdiente.
Um ihre Aufgewühltheit zu verbergen, schaute sie aus dem Fenster. Das Flugzeug hatte die Parkposition eingenommen, und eine Limousine fuhr herbei. Trotz der frühen Morgenstunde flimmerte die Hitze auf dem Asphalt.
Diese riesige Wüste war die Heimat von Scheich Al-Koury, und Emmeline beschlich eine Vorahnung, dass sich hier ihr Leben für immer ändern würde.
Makin streckte seine Beine auf dem Rücksitz der geräumigen, mit allen erdenklichen Extras ausgestatteten Limousine aus.
In dem glücklichen Gefühl, wieder zu Hause zu sein, entspannte er sich ein wenig.
Seine Familie besaß Paläste in ganz Kadar, aber ihm hatte die ländliche Kasbah Raha schon immer am besten gefallen. Allein der Name Kasbah Raha – ‚Palast der Ruhe‘ – symbolisierte Frieden. Nur hier in der Wüste, ohne den Lärm der Städte, konnte er durchatmen und
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